Kompostierbare Sitzbezüge und T-Shirts, umweltfreundliche Büromöbel und PVC-freie Fernseher: Ökologisch fair hergestellte Produkte haben Zukunft

Verantwortungsvoller Konsum soll nicht anstrengend sein, sondern Spaß machen. Nach diesem Motto entwickeln immer mehr Anbieter zum Teil alltägliche, zum Teil ausgefallene Produkte mit besonderer ökologischer Qualität, meist gepaart mit sozialem Engagement. Zu den Exoten zählen Damenpumps aus Biolachsleder oder Schreibmappen aus Bezügen von alten Turnmatten - die Angebotspalette zu nachhaltigem Konsum ist so bunt wie noch nie, weil immer mehr kleine und große Unternehmen das Thema ernst nehmen.

"Im Handel ist sehr viel in Bewegung", sagt Dr. Melanie Weber-Moritz von der Verbraucher Initiative (VI). Nachhaltigkeit sei ein Thema fernab vom grünen Mäntelchen, das sich ein Unternehmen umhängt. "Es geht nicht um Werbestrategien. Vielmehr werden neue Strukturen in der Lieferkette etabliert, die eigene Geschäftstätigkeit optimiert und die Verbraucher gezielt zur Nachhaltigkeit informiert. Nur wenn es ein Unternehmen wirklich ernst meint, riskiert es keine Imageschäden."

Diese Einschätzung bestätigte Anfang Juni das Hamburger Trendbüro im Auftrag des Otto-Konzerns. Demnach vertrauen drei Viertel der befragten Konsumenten Unternehmen, die ethisch korrekte Produkte herstellen, eher als anderen Unternehmen. Die Vorreiter hätten dadurch einen Wettbewerbsvorteil, solange ihr Engagement glaubwürdig sei. Ansonsten würden sie schnell entlarvt: "In Zeiten digitaler Kommunikation wird das (ethische) Handeln der Unternehmen vom kritischen, vernetzten Konsumenten immer häufiger und schneller auf Greenwashing hin überprüft", heißt es.

Das Verbraucherinteresse, hinter die Kulisse von Unternehmen zu schauen, sei gestiegen, sagt Weber-Moritz: "Es geht nicht nur darum, was ich kaufe, sondern auch bei wem." Deshalb verschickt die Verbraucher Initiative seit 2009 ausführliche Fragebogen an Handelsunternehmen in verschiedenen Märkten und bewertete die Unternehmen. Viermal vergab sie bislang Gold: An die Fair-Trade-Organisation Gepa (Nahrungs- und Genussmittel), an das Versandhaus hessnatur (Kleidung und Schuhe), an Ikea (Möbel) und an das Versandhaus memo (Schreib- und Papierwaren).

Der Würzburger Versender memo steht für die Entwicklung des ethischen Ein- und Verkaufens. Inhaber Jürgen Schmidt gründete 1990 das Unternehmen, um gewerblichen Kunden ein komplettes Sortiment an umweltfreundlichen Büroartikeln zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten. Heute erreicht der Katalog fast die Dicke eines Hamburger Telefonbuchs, umfasst mehr als 10 000 Artikel und wendet sich auch an Privatkunden. Er enthält zum Beispiel Drucker und anderes Computerzubehör, Produkte aus Recyclingglas, Sparlampen, Büromöbel. Gut 750 Artikel gehören zur Eigenmarke, von Buntstiften aus zertifizierter Forstwirtschaft über Waschmittel auf Basis von Seifenkraut bis zu ökofairen T-Shirts.

Memo bietet Massenprodukte an, die ethisch korrekt hergestellt sind. Die Philosophie "Cradle to Cradle" des Hamburger Chemikers Dr. Michael Braungart geht weiter. Er hält zügellosen Konsum nicht für verwerflich, solange dieser dem Gesetz der Natur folgt: Jedes Produkt wird nach seinem Gebrauch zum Nährstoff für andere, es fließt zurück in den natürlichen Kreislauf, eben von der Wiege zur Wiege (Cradle to Cradle) und nicht zur Bahre. Nach diesem Prinzip sind kompostierbare Sitzbezüge und T-Shirts entstanden, wiederverwertbare Dekostoffe, aber auch ein PVC-freier, recyclingfreundlicher Fernseher.

Andere Anbieter verwerten Materialien, die bislang den Abfall mehrten. Eine exklusive Variante sind High Heels aus Nanaileder. Letzteres steht für Lachsleder. "Wir verwenden die Fischhäute aus der Lebensmittelproduktion, von Biolachsen aus Irland", sagt der Augsburger David Dudek, Gründer der Firma Theo & Mo. Die hochhackigen Damenpumps, deren fischige, feingliedrige Oberfläche an Schlangenleder erinnert, werden individuell nach den Wünschen der Kundin angefertigt. Dazu stehen 24 Lederfarben zur Verfügung. Die solide Handarbeit hat ihren Preis - er liegt zwischen 989 bis 1189 Euro.

Ganz bodenständig sind dagegen die Recyclingprodukte von Bernd Dörr. Seine Marke Zirkeltraining weckt Erinnerungen an längst vergessenen Turnhallenmief: Taschen und Mappen aus den Bezügen von alten Turnmatten, die übrigens nicht alle hellblau waren. Dazu gibt es Produkte aus den Lederbespannungen von Bock und Kasten - neue Produkte, die bereits sichtlich Patina angesetzt haben und gerade daraus ihren Charme beziehen.

Ökologisch-fair ist inzwischen weit über die Hauptmärkte Lebensmittel und Kosmetika hinausgewachsen. Ökotextilien und Biogastronomie, Möbel und Schmuck sind auf dem Sprung, zumindest zu Nischenmärkten zu werden. Das zeigte sich Ende Mai auch auf der ersten deutschen Nachhaltigkeitsmesse goodgoods. 90 Aussteller lockten an drei Tagen insgesamt rund 10 000 Besucher zur Hamburg Messe.

"Die goodgoods war ein toller Erfolg. Wir freuen uns, dass unsere erste Messe für nachhaltigen Konsum einen so großen Anklang gefunden hat", bilanzierte Messechef Bernd Aufderheide nach der Veranstaltung. Vieles spricht also dafür, dass der nachhaltige Konsum in der Umwelthauptstadt Hamburg allmählich zum Trend wird, und das - ganz nachhaltig - weit über das Titeljahr hinaus.