Anthony Pilavachi bringt Haydns Oper “L'infedeltà delusa“ auf die Bühne der Musikhochschule

Im Theater ist alles möglich. Heute jedenfalls. In einer Zeit, in der Genres fröhlich gemixt werden, in der jedes, aber auch jedes Sujet auf die Bühne findet und das Regietheater schon fast in seiner postmodernen Phase angelangt ist, können wir uns kaum noch vorstellen, welchen Begrenzungen Schauspiel und Oper in den vergangenen Jahrhunderten unterworfen waren. So ausgebufft unsere Sinne und unsere Fantasie sind, gehört schon einiges an Gestaltungskraft dazu, das Neue an Joseph Haydns Oper "L'infedeltà delusa" aus dem Jahre 1773 zu zeigen. Nichts Geringeres hat sich Anthony Pilavachi vorgenommen, der irische Regisseur, der kürzlich mit seiner geistreichen Lübecker "Ring"-Inszenierung für Aufsehen gesorgt hat: Er bringt das Werk auf die Bühne des Forums. Bühnenbild und Kostüme entwirft Markus Meyer, es singen Studierende der Hochschule, Werner Hagen dirigiert die Hamburger Symphoniker.

"Burletta per musica" nennt sich die Oper im Untertitel, und Pilavachi präzisiert: "Es ist eine Burleske und keine Komödie!" Man muss die Musik schon sehr genau kennen, um diese Unterscheidung so entschieden zu treffen. Die Handlung fügt sich nämlich auf das Bruchloseste in das Genre der Verwechslungskomödien, die gerade im 18. Jahrhundert so beliebt waren, gipfelnd in Wolfgang Amadeus Mozarts bittersüßem Liebes-Laborversuch "Così fan tutte". Bei Haydn will Filippo, ein toskanischer Bauer, seine Tochter Sandrina mit einem Grundbesitzer verheiraten. Bloß liebt Sandrina einen anderen, unglücklicherweise einen mittellosen Schlucker. Dessen Schwester Vespina spinnt daraufhin ein ganzes Intrigengeflecht und tritt in mehreren Verkleidungen auf, um dem Liebespaar ein Happy End zu bescheren. Was auch gelingt, nicht ohne einen boshaften Seitenhieb auf einen tollpatschigen Adligen, hinter dem aber, wir ahnen es, wiederum Vespina steckt.

Natürlich ist das urkomisch anzusehen und auch so komponiert. Pilavachi aber interessiert etwas anderes: "Es geht um die emotionalen Beziehungen der fünf Protagonisten. Der alte Filippo ist zu Beginn der Oper mit sich selbst im Reinen. Erst durch Vespinas Eingreifen beginnt das Chaos. Das Ganze ist ein Experiment: Man stellt fünf Leute in einen begrenzten Raum und guckt, was passiert."

Als Haydn die Oper schrieb, stand er schon seit 13 Jahren im Dienst des Fürsten Esterházy und leitete wöchentlich eine Opernaufführung. Er hatte seinen eigenen kleinen Kosmos. Von dem, was in der Welt vor sich ging, bekam er wenig mit, sondern bildete seinen ganz eigenen Opernstil aus.

So ist "L'infedeltà delusa" geprägt von den strengen Gattungsformen der Zeit. Ähnlich der Opera seria mit ihren antiken Göttern, römischen Kaisern und hehren Posen ist das Stück mit langen Arien und noch längeren Rezitativen gespickt - für Sänger und Regisseur gleichermaßen eine Herausforderung bei der schauspielerischen Ausarbeitung. "Es kann sonst furchtbar langweilig werden", sagt Pilavachi.

Doch das ist nur die eine Seite. Die andere ist Haydns hochoriginelle, bisweilen radikale Tonsprache, in die er die Innensicht seiner Figuren fasst. Haydn schreibt keine Affektarien, er verfolgt Stimmungswandlungen. Im Finale, wenn die Liebenden heiraten, setzt Haydn Pauken ein. Die kommen im ganzen Stück noch nicht vor, und eigentlich sind sie bei einer Hochzeit ganz fehl am Platze. "Pauken sind sonst für Kriegsmusik da", sagt Pilavachi. "Der Komponist sagt uns: Hier haben die Falschen geheiratet."

L'infedeltà delusa 29.5. und 2.6. (Premiere A und B), jeweils 19.30 Uhr, sowie am 10., 12., 20., 22., 24., 26. und 28.6., jeweils 19.30 Uhr. Karten unter T. 45 33 26 oder 44 02 98