Hinein ins Leben mit Rossinis “La Cenerentola“

Was genau Rossini dazu bewogen hat, das alte Märchen vom Aschenputtel als Stoff auszuwählen, ist nicht klar. Fest steht jedoch, dass es eine gute Idee war. Eine sehr gute sogar. Denn die "Cenerentola" gehört zu den stärksten und schönsten Opern aus seiner Feder.

Das liegt einerseits an der wunderbaren Musik. Obwohl Rossini extrem unter Zeitdruck stand - weil die Premiere im römischen Teatro Valle vertraglich auf den 26. Dezember 1816 festgesetzt war, er aber erst Mitte Dezember nach Rom reisen konnte - ist die Partitur ein echtes Meisterstück. Mit einer fetzigen Ouvertüre, rasanten Verzierungen, eingängigen Melodien und packenden Ensembles. In ihrer überschäumenden Ideenfülle erinnert die "Cenerentola" an den ein Jahr zuvor entstandenen "Barbier von Sevilla".

Doch damit nicht genug. Rossinis Raffinesse prägt auch die Dramaturgie der Oper. Er verwandelt den Märchenstoff in eine lebenspralle Geschichte für Erwachsene. Sie handelt vom Neid der geizig-garstigen Schwestern Clorinde und Tisbe, von der schreienden Ungerechtigkeit des Don Magnifico und, natürlich, vom Schicksal der gemobbten Stieftochter Angelina. Die junge Dame erträumt sich gleich zu Beginn die Liebe eines Königs. Und tatsächlich steht schon bald ein reicher (allerdings als Diener getarnter) Prinz vor der Tür, der ihrer Schönheit und ihrem sanften Wesen verfällt. Eigentlich könnte Rossini also schon im ersten Akt das Happy End einläuten. Aber so einfach geht das natürlich nicht, dann wäre die Oper ja zu schnell vorbei und das Vergnügen allzu kurz. Also gibt's noch ein paar Verwicklungen und Hindernisse. Wie die gravierende Frage - die der einen oder anderen Leserin bekannt sein dürfte - nach dem richtigen Outfit. Was soll Angelina bloß anziehen? Wo sie doch zu einem großen Ball gehen darf, bei dem der Prinz die Schönste im ganzen Land zu seiner Braut machen will ...

Nachdem der Rollentausch von Prinz und Diener aufgeklärt ist, findet das Liebespaar tatsächlich zueinander, und die grundgute Angelina verzeiht sogar ihrer schrecklich netten Familie. Ende gut, alles gut.

An der Staatsoper Hamburg inszeniert und choreografiert Renaud Doucet das vergnügliche Stück, das aber gerade durch seine Hauptfigur auch viele anrührende Momente hat. Mit ihrer Mischung aus Koloraturenketten und einer differenzierten Charakterzeichnung stellt die Partie der Angelina höchste Ansprüche an die vokale und darstellerische Virtuosität ihrer Sängerin - und scheint Maite Beaumont damit wie auf den Leib geschrieben. Die Mezzosopranistin ist den Hamburgern aus ihrer Zeit als Ensemblemitglied noch in bester Erinnerung: Ihr warmes Timbre und ihre natürliche Bühnenpräsenz machten die Spanierin zum Publikumsliebling. Seit Ende ihres Festengagements gastiert Maite Beaumont an vielen namhaften Opernhäusern, an der Mailänder Scala wurde sie als Melibea in Rossinis Oper "Il Viaggio a Reims" gefeiert. Dass sie jetzt als Angelina nach Hamburg zurückkehrt, ist also eine gute Idee. Eine sehr gute sogar.

La Cenerentola Premiere 8.5., 18 Uhr, Staatsoper. Weitere Vorstellungen: 11., 15., 20., 22., 29.5., 2., 9., 11.6., jeweils 19.30 Uhr. Tickets unter T. 35 68 68