Die Hamburger Camerata gratuliert dem ungarischen Komponisten György Kurtág zum 85. Geburtstag

Kritiker beklagen oft das immer gleiche Einerlei auf den Konzertprogrammen - und nicht selten haben sie damit nur allzu recht. Schon unter diesem Gesichtspunkt gebührt der Hamburger Camerata für ihre "Ungarische Serenade" ein Preis und besonderes Lob - für den Mut, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und etwas ganz Neues und Ungewöhnliches zu kreieren.

Dieses Konzert ist gleich Dreierlei in einem: Es ist eine originelle Hommage für den größten lebenden Komponisten Ungarns, György Kurtág, der im Februar seinen 85. Geburtstag feiern konnte. Kurtág hat zusammen mit György Ligeti nach 1945 das schwere Erbe Béla Bartóks angetreten und die große Musiktradition seines Landes ins 21. Jahrhundert fortgeführt. Sein äußerst konzentriertes, strengster Selbstkritik abgerungenes Schaffen steht in der Nachfolge Anton Weberns und umfasst vor allem Klavier- und Kammermusik, Chor- und Orchesterwerke, darunter die viel gespielte "Stele" und den Zyklus "Játékok", die bereits zu Lebzeiten Klassiker der neueren ungarischen Musik geworden sind.

Zugleich ist das Konzert aber auch ein Spiegel ebendieser Musiktradition. Sie ist hier nicht nur durch Bartóks meisterhaftes Divertimento für Streichorchester vertreten, sondern auch durch weniger bekannte Werke seiner Altersgenossen Zoltán Kodály und Leó Weiner.

Und nicht zuletzt ist dieser Abend auch eine große Bewährungsprobe: für zwei junge Künstler, die bereits vor dem Sprung zur ganz großen Karriere stehen. Der eine ist der musikalische Leiter des Konzerts, der junge Schweizer Simon Gaudenz. Er gewann im Februar 2009 mit dem "Deutschen Dirigentenpreis" die höchstdotierte Auszeichnung für Nachwuchspultstars in Europa; schon zuvor war er Preisträger und Stipendiat des Deutschen Musikrats und der Schweizer Kulturstiftung. Seither wurde Gaudenz von einigen der führenden Klangkörper zu gemeinsamen Konzertprojekten eingeladen, darunter das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Orchestre National de France, das Zürcher Tonhalle-Orchester und das DSO Berlin.

Auch der Solist des Abends, der Cellist István Várdai, hat sein Talent bereits mit etlichen Wettbewerbserfolgen unter Beweis gestellt. Der gebürtige Ungar war unter anderem Preisträger beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb 2007 sowie beim Eduard-Feuermann-Wettbewerb in Berlin und gewann 2008 beim angesehenen Concours de Genève gleich drei Auszeichnungen, darunter den Sonderpreis des Publikums. Für Várdai, der so bedeutende Cellisten wie Natalia Gutman, Janos Starker und Frans Helmerson zu seinen Lehrern zählt, ergaben sich danach zahlreiche Konzertauftritte, etwa mit den Petersburger Symphonikern und dem Marinskij-Orchester.

Bei der Camerata stellt sich István Várdai mit Haydns C-Dur-Konzert vor, einem unverwüstlichen Schlachtross der Cello-Literatur, das freilich nicht ohne Grund als Prüfstein für technische Sicherheit und Stilempfinden gleichermaßen gilt. Überdies ist der junge Musiker in Kurtágs Bach-Hommage "Ligatura y" und der aparten "Romanze" für Violoncello, Harfe und Streicher von Leó Weiner zu hören. Weiner war nicht nur ein origineller, zu Unrecht vernachlässigter Komponist, sondern auch der Lehrer von so bedeutenden Künstlern wie Antal Doráti, Géza Anda und Andor Foldes. Sein produktivster Schüler aber war - und hiermit schließt sich der Kreis - György Kurtág.

Ungarische Serenade 23.6., 20 Uhr, Laeiszhalle. Karten unter T. 420 64 64