Die Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt Anja Hajduk über die überraschende Wahl Hamburgs zur Umwelthauptstadt 2011

Ihre Behörde hat den Titel der Europäischen Umwelthauptstadt nach Hamburg geholt. Mit dem Abendblatt spricht Senatorin Anja Hajduk (GAL) über Pläne, Ziele und Hoffnungen, die sie mit dem Jahr 2011 verbindet.

Abendblatt:

In dem Jahr, in dem die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk das Kohlekraftwerk Moorburg genehmigen musste, haben Sie sich mit Hamburg um den Titel der Europäischen Umwelthauptstadt beworben. Haben Sie sich tatsächlich Chancen ausgerechnet?

Anja Hajduk:

Wir haben uns beworben, weil wir eine Standortbestimmung von Dritten haben wollten. Wir haben uns in der Tat nicht als Favorit gesehen, sondern haben das eher langfristig gesehen. Wir haben uns aber auch sehr bewusst nicht als Öko-Paradies beworben, sondern als industriell geprägte Metropole, die sich sehr ernsthaft den Herausforderungen des Klimaschutzes stellt und hier auch beispielgebend für andere Städte sein will. Insofern haben wir uns schon über die Rückmeldung gefreut, unter die ersten acht von 34 Kandidaten gewählt worden zu sein. Als wir tatsächlich gewonnen haben, waren wir sehr überrascht. Und ich glaube, viele andere auch - ich glaube, auch die Hamburger Öffentlichkeit. Aber ich habe den Eindruck, dass viele es als eine tolle Überraschung empfinden, weil es ja auch eine große Chance ist. Und für eine Umweltsenatorin ist das einfach auch eine starke Unterstützung für unser Hauptthema - Hamburg nachhaltig zu gestalten.

Wie wichtig ist ein solcher Titel für Hamburg und für europäische Städte insgesamt?

Hajduk:

Ich finde es eine brillante Idee der EU-Kommission, die Verantwortung vor Ort in unseren Städten zu benennen und in den Mittelpunkt zu stellen. Die Kurzformel ist immer: Städte sind heute Hauptverursacher von CO2-Emissionen und sie sollen vom Problemverursacher zur Lösungsschmiede werden. Im Grunde gibt die EU mit dem Preis auch einen Anreiz dafür, dass die europäischen Städte in Sachen Umweltschutz voneinander lernen. Deswegen kann man nur bestätigen: Städte haben eine ganz große Verantwortung dafür, ob wir den Umweltschutz und vor allem auch den Klimaschutz erfolgreich voranbringen. Der europäische Kontinent hat eine große Verantwortung. Wir sind - auch durch unseren Lebensstandard - eine Region mit einem hohen Ausmaß an CO2-Emissionen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch ganz viel Wissen, Technologie und Know-how. Das gilt insbesondere für Deutschland und eben auch für Hamburg. Wir haben die Verpflichtung, dieses Wissen so einzubringen, dass wir neue Lösungswege entwickeln.

Hamburg hat sich im Wettbewerb gegen 34 Städte durchgesetzt, darunter Kopenhagen und Wien, die ebenfalls schon viel tun für den Umweltschutz. Womit konnte Hamburg punkten?

Hajduk:

Hamburg konnte zum Beispiel mit dem Thema Wasserver- und -entsorgung punkten. Wir haben einen geringeren Pro-Kopf-Verbrauch und kaum Verluste im Wassernetz. Im Umgang mit Wasser sind wir spitze. Wir haben auch sehr gut abgeschnitten im Bereich der Umweltverwaltung. Und dann haben wir - vielleicht sogar ein bisschen überraschend - ganz gut im Klimaschutz abgeschnitten. Zum einen für das, was wir an CO2-Reduktion bisher erreicht haben. Es ist aber auch unsere ambitionierte Zielsetzung hervorgehoben worden. Das meiste in diesem Bereich liegt also noch vor uns. Gepunktet haben wir auch mit dem öffentlichen Nahverkehr. Es gibt bereits ein gutes Netz in Hamburg und die Fahrgastzahlen steigen so stark, dass wir das Angebot mit der Stadtbahn noch weiter ausbauen müssen. Das steht in konsequenter Linie: unsere Stärken auch weiterzuentwickeln.

Profitieren Sie davon, dass Stockholm der erste Preisträger war?

Hajduk:

Unter pragmatischen Gesichtspunkten war ich bei der Preisvergabe im Februar 2009 sofort froh, dass wir noch ein ganzes Jahr zur Vorbereitung haben und auch schon aus den ersten Erfahrungen Stockholms lernen können.

Was will Hamburg anders machen als Stockholm?

Hajduk:

Wir haben in Hamburg ein besonderes Konzept für den europaweiten Dialog und Austausch: unseren Zug der Ideen. Schon bei meinen Besuchen in Stockholm habe ich erlebt, mit wie viel Interesse und positiver Erwartung gerade dieses Projekt von den anderen Europäern und auch der EU-Kommission wertgeschätzt wird. Wir setzen die besten Beispiele und damit den Austausch von Ideen auf die Schiene. Dieser Zug fährt durch 17 verschiedene Orte in Europa. Dort zeigen wir, was in Hamburg umgesetzt wird und tragen die besten Beispiele aus Europa zurück in die Stadt.

Wie kann Hamburg, wie können die einzelnen Städte vom Zug profitieren?

Hajduk:

Ganz praktisch können wir Know-how, das es in Hamburg gibt, positiv in andere Länder tragen. Da das Umweltthema hohe Priorität hat und Aufmerksamkeit genießt, wird dadurch eine richtige Nachfrage nach unseren Ideen entstehen. Zweitens ist es ein Zukunftsthema und Hamburg zeigt als Stadt Kompetenzen in einem der wichtigsten Zukunftsfelder. Das stärkt natürlich auch das Gewicht unserer Stadt innerhalb Europas. Seit der Preisverleihung sind wir in Brüssel als Umwelthauptstadt enorm beachtet worden. Insofern zeigt dieser Preis eine ganz neue Facette von Hamburgs Kompetenzen.

Mit welcher Strategie gehen Sie in das Jahr als Umwelthauptstadt?

Hajduk:

Wir wollen sehr in die Breite gehen und die Hamburger bei ihrem Stolz auf ihre Stadt packen. Die Strategie ist, durch ein reichhaltiges Angebot eine noch größere Aufmerksamkeit für die Wichtigkeit des Umweltthemas in die gesamte Breite der Gesellschaft zu tragen. Zwar ist im Moment ein Trend zu beobachten, wonach das Thema Umweltschutz zunehmend mehr Menschen interessiert, es gibt aber noch ganz viel Expertentum. Wir müssen erreichen, dass jeder erkennt, wie wichtig sein Eigenbeitrag ist: für die Nachhaltigkeit unserer Städte und unserer Zukunft. Wir dürfen vor der Größe der Herausforderung nicht verzagen, sondern müssen kompetent werden. Deswegen finde ich es toll, dass wir so unglaublich viele Veranstaltungen haben, an denen sich Hamburger beteiligen können. Gleichzeitig wollen wir auch unsere Expertise verbessern, indem wir auch Veranstaltungen machen wie den internationalen Umweltrechtstag. Dort wollen wir uns weiterentwickeln, die Qualität und Standards von Umweltrecht voranbringen.

Glauben Sie, dass Sie den Normalbürger aufrütteln können?

Hajduk:

Das ist unser Ziel. Und wir versuchen natürlich es so zu machen, dass es Spaß bringt und ansprechend ist, sich zu beteiligen. Selbstverständlich haben wir dabei auch gerade junge Leute im Blick. Zudem wollen wir auch Veränderungen einläuten, wo jeder sich beteiligen muss. Hamburg ist schon mal als Müllhauptstadt bezeichnet worden. Da ist es wichtig, dass die Bürger bereit sind, sich in ihrem Alltag umzustellen.

Es ist an meiner Behörde, zusammen mit der Stadtreinigung etwas anzubieten, das es leichter macht, den Müll zu trennen. Wichtig finde ich auch, dass die Hamburger Wirtschaft uns unterstützt. Gerade in der Wirtschaft, die sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze anbieten will, ist das Interesse auch unter der ökonomischen Perspektive sehr hoch, dass Hamburg sich im Umweltbereich stark positioniert. Das zeigt die schon bestehende Umweltpartnerschaft zwischen Stadt und Unternehmen. Das macht deutlich, dass das Umwelthauptstadtjahr ein Thema der Politik, der Wirtschaft und der Bürger ist.

Was erwartet die Hamburger 2011?

Hajduk:

Der Bürgerauftakt am 14. Januar soll der Startschuss für Hamburg als Umwelthauptstadt sein. Die Hamburger sollen sich eingeladen fühlen, beim Engagement für die Umwelt mitzumachen. Die genauen Planungen laufen in diesen Wochen, auf jeden Fall wird dazu aber die Eröffnung des Infopavillons gehören, ein buntes Kulturprogramm, zwei Ausstellungen in der Rathausdiele und der Europa-Passage, Open-Air-Kurzfilme und ein gastronomisches Angebot. Absoluter Höhepunkt und bisher einmalig bei einer solchen Veranstaltung ist der sogenannte Sustainable Dancefloor. Auf dieser Tanzfläche können Menschen Energie produzieren - das wird eine sehr fröhliche Gemeinschaftsaktion.

Was wird bleiben vom Jahr?

Hajduk:

Zur Idee der Umwelthauptstadt gehört die Nachhaltigkeit. Viele Projekte, die wir in 2011 beginnen, sind so langfristig angelegt, dass sie weit über das Jahr und über das Jahrzehnt wirksam werden. So etwa der geplante Deckel über die A 7, mit dem wir Stadtraum zurückgewinnen, Infrastrukturprojekte für die Elektromobilität oder die Stadtbahn. Ich wünsche mir, dass unsere umweltpolitischen Ziele durch das Umwelthauptstadt-Jahr einen stärkeren Schub bekommen.

Was muss Hamburg erreicht haben, damit Sie Ende 2011 sagen, es war ein Erfolg?

Hajduk:

Der größte Erfolg der Umwelthauptstadt wäre, wenn alle Hamburger am Ende sagen: 'Das war toll, da habe ich mitgemacht.' Ich bin nämlich davon überzeugt, dass 1,8 Millionen Hamburger für die Umwelt mehr bewirken können als fünf neue Windräder.