Kuchen statt Brot, das ist geschichtlich ein geflügeltes Wort. Aber manchmal sind Kuchen und Wein tatsächlich ein perfektes Paar - in der kalten Jahreszeit

Kuchen ist das süße Pendant zum Brot, dem schnöden Treibstoff der Alltäglichkeit. Kuchen ist Sonntag, Kuchen ist Extra, kein nötiges Glied in der Nahrungskette. Er besteht aus purem Luxus, weißem Mehl, Zucker und Fett. Schnellverwertbare, direkte Energie, man meint zu spüren, wie die Kalorien direkt den Organismus befeuern. Und Kuchen hat viele Gesichter, vom fluffig-leichten Biskuit bis hin zum schottischen Dundee Cake. Schwer und komprimiert ist er der Diamant unter den Backwaren: In größerer Dichte kommen Kalorien nicht vor.

Der Dundee Cake ist nach dem seinem Geburtsort, der schottischen Hafenstadt Dundee, benannt und hat eine lange Tradition in Schottland. Dafür gibt es drei entscheidende Gründe: Das Rezept ist kinderleicht, und man muss nichts nachschlagen, denn der Dundee Cake ist eine regionale Abwandlung des klassischen Pfundkuchens.

Der Alkohol im Kuchen konserviert

Zweitens: Der Kuchen ist lagerfähig. Dank der leichten Feuchtigkeit der alkoholgetränkten Trockenfrüchte trocknet er nicht aus sondern bleibt saftig. Der Alkohol verhindert das Verderben der zuckerhaltigen Kost, eigentlich ein Fest für jegliche wilde Hefe. Man könnte ihn vergleichen mit dem deutschen Christstollen, der ebenfalls gelagert werden sollte. Ein wichtiges Argument in Zeiten, in denen zum Beispiel der Kühlschrank noch nicht erfunden wurde.

Drittens: Er ist die ultimative Kalorienbombe. Schottland ist ein ungeheures Land, in dem es ausgesprochen viel regnet. Es ist kalt und hügelig, in den Bergspalten kondensiert das Wasser zu Lochs. Die Männer, die bei Wind und Wetter draußen arbeiten, benötigen unterschiedliche kalorienhaltige Kost, die schnell verwertbare Energie bietet. Dundee Cake ist der ideale Imbiss: die gesättigste Form, in der man Energie zu sich nehmen kann.

Der Überlieferung nach ist der Dundee Cake das Nebenprodukt der Marmeladenherstellung. Janet Keiller, Frau des gleichnamigen Kaufmanns, erfand einst die Orangenmarmelade in Dundee. Da eine Fuhre für den schottischen Gaumen ungenießbarer Bitterorangen aus Spanien wie Blei in den Regalen des Gatten lag, kochte seine Frau flugs Marmelade daraus. Die Marmeladentradition in Dundee ist lang, im Hinterland wird seit jeher Obstanbau betrieben.

Doch zurück zum Kuchen: Queen Mary, so der Mythos, war keine Freundin der damals allgegenwärtigen Kirsche im Kuchen, weder frisch noch getrocknet. Darauf kreierte ein Bäcker aus Dundee ihr zu Ehren einen Kuchen ohne besagte Kirschen. Er tränkte Früchte in Whiskey, nahm je ein Pfund Butter, Zucker, Eier und Mehl - und fertig war die Spezialität. Verziert wurde der Kuchen mit Mandeln, was heute noch die klassische Garnitur für Dundee Cake ist, und (jetzt fügt sich alles wieder zusammen) mit Orangenmarmelade abgeglänzt.

Jemand muss ihn einst völlig vergessen haben oder seiner so überdrüssig gewesen sein, dass er ihn eine Zeit stehen ließ, ihn später probierte und feststellte, dass er sogar noch besser schmeckte, als er es in Erinnerung hatte. Und so begann man, den Kuchen zu lagern, um eine optimale Vermählung der Aromen zu erreichen.

Dazu Wein mit speziellem Charakter

Doch was soll man dazu trinken? Eine gute Flasche Wein natürlich! Schon Rotkäppchen wusste um die Vorzüge dieser Kombination und nahm Kuchen und Wein mit auf den Weg zur geschwächten Großmutter.

Und weil der Dundee Cake ein besonderer Kuchen ist, nehmen wir einen besonderen Wein: Madeira! Der Wein, der seinen speziellen Charakter der Seefahrt zu verdanken hat. Die Weine von Madeira überstanden meist die langen Schifffahrten zum Kontinent nicht, da sie zu instabil waren. Also begann man sie, ähnlich dem Portwein und dem Sherry, zu spriten. Und man stellte bald fest, dass die Weine immer besser wurden, je länger sie in heißen Regionen unter Deck waren. Die Bewegung der Schiffe und die Temperaturen gaben dem Wein seinen eigenen Geschmack, was auch als Maderisierung beschrieben wird. Darauf hin wurden bald ganze Flotten auf See geschickt, zweimal über den Äquator, um ihn so zu reifen zu lassen. Seine einzigartige Nase nach Karamell, Trockenfrüchten und die starke oxidative Note machen ihn zum perfekten Begleiter des Dundee Cake. Der hohe Gehalt an Zucker und Fett verlangt nach einem starken Gegner, in diesem Falle 19 Prozent Vol. Alkohol.

Beide, Kuchen und Wein, sind Produkte, deren Qualität sich durch zunehmende Reifung, durch Zeit verbessert. Und zusammen mehr sind als die Summe ihrer Teile: Das ist schon ambrosiale Seelennahrung.