"Hamburg ist meine Heimatstadt, aber mein Heimatland ist die Türkei", sagt Bilal Gülbas und drückt mit diesem einen Satz aus, was viele Migrantenkinder fühlen. Die Zugehörigkeit zu zwei Kulturen. Doch im Unterschied zu vielen kann der 19-Jährige ganz gut damit leben. "Ich bin Deutscher mit türkischen Wurzeln", sagt er sehr selbstbewusst. Es nervt ihn, wenn Leute ihn fragen, wo er denn wirklich herkomme. "Das sind Momente, in denen ich mich nicht dazugehörig fühle". Es sei doch vorgestrig, anzunehmen, dass Deutsche immer noch alle blond und blauäugig seien, "gerade in einer multikulturellen Stadt wie Hamburg".

Er hat gleichermaßen deutsche und türkische Freunde. "Manche sind Kommunisten, manche Kapitalisten, es gibt darunter Christen und Muslims", sagt er. Die Zerrissenheit, die viele Jugendliche seiner Herkunft umtreibt, scheint Bilal nicht zu spüren.

Im Gegenteil, Bilal erscheint wie ein Paradebeispiel für gelungene Integration. Er hat letztes Jahr an der Gesamtschule Horn Abitur gemacht und will Arzt werden. Bilal ist aktives Mitglied in der SPD und einer Aids-Initiative aber auch in der Jugendarbeit des Bündnisses der Islamischen Gemeinden Norddeutschlands.

Er macht sich Gedanken über die Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands. Seine politische Einstellung ist eher links, nationalistische Gedanken lehnt er ab - vielleicht weil er sich nicht nur zu einer Nation bekennen möchte. Seine Eltern kamen als Gastarbeiter aus einem kleinen Dorf in Anatolien. Während der Vater in einer Fabrik arbeitete, kümmerte sich die Mutter in St. Georg um die acht Kinder. Die Familie ist sehr traditionell und bildungsbewusst. Mit den Eltern spricht Bilal nur türkisch, mit den Geschwistern häufig deutsch. "Wenn es um etwas Religiöses geht, rede ich türkisch. Wenn ich über Weltliches rede, deutsch."

Sein muslimischer Glaube, über den Bilal sehr offen spricht, ist der türkische Teil von ihm. Gott ist für ihn alles: Heimat, Sinn des Lebens, Erfüllung. Vielleicht ist er es auch, der ihm Halt und Selbstbewusstsein gibt, während andere türkische Altersgenossen oft orientierungsloser sind.

"Ich glaube, dass Gott mich nur aus dem Grund erschaffen hat, damit ich ihm diene", sagt er. Bilal ist Sunnit und hält sich streng an die Gesetze des Korans. Alkohol trinken ist tabu. "Es hat etwas gedauert, bis meine Kumpels das akzeptiert haben."

Mit fünf Jahren kam er in die Koranschule, mindestens einmal pro Woche geht er in die Centrumsmoschee in der Böckmannstraße - das ist seine Gemeinde. Sein Freiwilliges Soziales Jahr macht er derzeit bei dem Rat der islamischen Gemeinschaften Hamburg (Schura) - im Grunde sei auch das ein Gottes-Dienst. Bilal sagt, er könne für alles einen Ersatz finden, die Freunde, die Partei, aber "wenn ich den Glauben verlieren würde, hätte ich keinen Antrieb mehr im Leben".