Wenn Rosi Kalra über Hamburg spricht, dann geht ein Strahlen über ihr Gesicht. Diese Stadt bedeutet für sie mehr als nur eine Heimat: "Glück, Freiheit, Freunde". All das, was sie in ihrer Geburtsstadt Kandahar nicht hatte. Dort war die Afghanin sieben lange Jahre in ihrem Wohnhaus eingesperrt. Ein Leben auf drei Zimmer begrenzt, in einem halb verfallenen Haus, nur ein paar Puppen und die jüngere Schwester zur Ablenkung. Rosi ist mitten im blutigen Terrorregime der Taliban aufgewachsen und jeder Schritt nach draußen konnte den Tod bringen. Sie war ein Mädchen in einem Land, in dem der Wert der Frauen unter dem des Viehs stand. "Meine Eltern hatten Angst, dass wir draußen entführt oder vergewaltigt werden würden", erzählt die heute 19-Jährige.

Vor neun Jahren ist die Familie dann nach Hamburg geflohen. Sie sind von einem Flüchtlingsheim ins andere gekommen, doch für Rosi war alles zunächst "einfach nur unfassbar schön". Sie hat die Freiheit genossen, einfach rausgehen zu können. Und: "Endlich genug zu essen." Doch bald hat sie gemerkt, dass auch in Hamburg die Welt nicht nur rosarot ist.

Als Rosi in Deutschland ankam, war sie sehr schüchtern, den Kontakt mit Menschen nicht gewohnt. "Ich hatte mich so auf die Schule gefreut, doch ich habe dort kaum den Mund aufbekommen. Was sollte ich auch erzählen? Von den Bomben, den Morden?", sagt sie.

In der Klasse wurde sie zunächst furchtbar gemobbt, "weil ich so klein bin", glaubt sie. Als sie dann noch die Klasse wiederholen sollte, glaubte Rosi "total versagt" zu haben. Aber es war ein Glücksfall. Die Schüler waren nett, Rosi blühte auf. Seit diesem Jahr hat sie den Realschulabschluss und eine Ausbildungsstelle zur Erzieherin. Jetzt ist sie eine selbstsichere Frau, quirlig und fröhlich. "Das habe ich Kali Mata zu verdanken", sagt sie. Rosi ist Hindu und Kali ihre Göttin, der sie in ihrem bescheidenen Zimmer in einem Pavillondorf für Flüchtlinge einen kleinen Schrein aufgebaut hat. Kali ist die vielarmige Göttin der Zerstörung, aber auch der Erneuerung. "Kali Mata hat mir Kraft gegeben. Ich rede jeden Tag mit ihr, erzähle ihr, wenn ich traurig oder glücklich bin. Sie ist meine engste Freundin", sagt Rosi.

Damals, in Afghanistan, habe sie daran gezweifelt, dass es einen Gott gibt. "Denn wie konnte er so viel Elend zulassen?" Doch in Hamburg konnte Rosi nicht glauben, dass alles ohne göttlichen Willen geschah. "Kali ist Teil meines Heimatgefühls, bei ihr bin ich sicher, ihr vertraue ich, ohne sie wäre ich heute nur halb so stark."