Der britische Künstler David Tremlett schafft flüchtige Wandbilder voller Melancholie auf Architektur

Nichts in den Händen, kein Kapital im Rücken und nur sich selbst und die Sinne sein eigen. Für die Künstler der 60er-Jahre gilt dies zu Beginn ihrer Karriere in einem verstärkten Maße. So auch für den Briten David Tremlett (geb. 1945), der wie seine Kollegen Richard Long oder Gilbert & George quasi mit ,Nichts' beginnt.

Alle drei aber setzen sich in Bewegung, die einen durch die Stadt, der andere durch die Landschaft und der Dritte, David Tremlett, bereist die Welt.

Dabei trifft er auf Architekturen, die ihn in Zukunft immer mehr beschäftigen werden. Auf mondäne Villen, verfallene Häuser, sakrale oder profane Bauten. Ihre Wände, ihre Öffnungen, ihre Mauern, Dächer, Proportionen, Volumina, Konstruktionen, aber auch ihre Vergänglichkeit fordern Tremlett zu einem poetischen Spiel mit Formen, Farben und Schrift heraus. Er beginnt zu zeichnen, Pigmente mit bloßen Händen auf die Wände zu reiben, bis flächenfüllende Wandbilder enstehen. Die meisten dieser geometrisch anmutenden Bilder verschwinden mit der Zeit oder mit Ende der Ausstellung.

So auch in der Galerie der Gegenwart, wo seit 20 Jahren die erste größere Museumsausstellung Tremletts in Deutschland zu sehen ist. Bei Tremlett ist die Ortsspezifität mehrdeutig. So gibt es in der Galerie der Gegenwart eine Wandzeichnung, deren erster Entwurf in Tschechien entstand. Solche, die auch den Ort Hamburg thematisieren, etwa mit sich überlappenden Rechtecken, Reminiszenzen an den Hafen und seine Container. Und andere, die sich auf die Quadratur der Galerie einlassen. Oder sie spielerisch aufheben wie ein sich durch mehrere überlagerte Farbstreifen akzentuierter Raum, der die Dominanz des Würfels in großzügige Weite verwandelt.

Anders als Grafitti, die den Bildgrund nur als Träger brauchen, nimmt Tremlett Wände in ihrer ursprünglichen Funktion, dem Schaffen von Räumen wahr. Indem er sie großflächig mit seinen Kreissegmenten, gebogenen Trapezen, gebrochene Linien oder Verzahnungen überzeichnet, werden sie erneut zu Raum. Gleichzeitig klingt in den oft erdigen Farben, in der zeitlichen Begrenztheit der Räume eine leise Melancholie mit. Zugleich gibt es aber auch Räume von einer fast tänzerischen und musikalischen Beschwingtheit.

Aus dem Dialog mit Architektur und Texten, wie Bruce Chatwins Reiseliteratur, gewinnt der Künstler die Elemente seiner Bildsprache. Manchmal greift Tremlett bei seinen Zügen durch die Räume selbst zu Worten, schafft assoziative Vierzeiler, mit einer Prise britischen Humors, zu dem ihn vielleicht der Besuch eines Stadions verleitet hat: Mud - slut - wet - rut; Run - drink - fall - cut; Glasgow - football - black eye - cheers; Goog game - sore throat - need a beer. Die Ausstellung wird ermöglicht durch Ernst & Young.

David Tremlett. Drawing Rooms. Wandzeichnungen für die Galerie der Gegenwart bis 9.1.2011 Galerie der Gegenwart, 3. Obergeschoss, Glockengießerwall, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00