Die Ausstellung “Through the Forest“ präsentiert das Werk des kanadischen Konzeptkünstlers Rodney Graham

In der Musik heißt es da capo al fine, im Film Loop. Alles geht dann noch einmal zurück auf Start, um das Spiel von vorne zu beginnen. Dann setzt die wortwörtliche Endlos-Schleife ein. Auch für den kanadischen Konzeptkünstler Rodney Graham (geb. 1949) markiert der Loop eines seiner zentralen Motive. Darüber hinaus holt er in einer zweiten Kreisbewegung stets die Vergangenheit in die Gegenwart zurück. Unter anderem haben in seinen Werken James Bond, Richard Wagners Parsifal oder Country Music ihren Auftritt.

Selbst die vom Künstler lange gescheute Malerei musste eines Tages dran glauben, als Rodney Graham begann, sich mit Meister Picasso zu messen. In der Galerie der Gegenwart kommt Grahams zirkulierender Gang durch den Dschungel der Künste jetzt retrospektiv zur Ausstellung, mit Werken der Jahre 1978 bis 2008. "Through the Forest", so der Titel der Schau, spielt ebenso auf eine von Graham konstruierte Lesemaschine an.

Per Zufall hatte er in einer englischen Übersetzung von Georg Büchners "Lenz" diese drei Worte auf zwei Seiten am Ende der letzten Seitenzeile entdeckt. Mithilfe einer mechanischen Dreh-Vorrichtung konnte er das Seitenumblättern damit so einrichten, dass der Text den Leser im Geschehen vorwärts statt zurück beförderte. Eine von Grahams denkwürdigsten künstlerischen Reprisen markiert seine Videoarbeit "Lobbing Potatoes at a Gong, 1969 (2006)". Mit ihr bezieht sich Graham auf einen Vorfall, der dem Schlagzeuger der Pop-Gruppe Pink Floyd nachgesagt wird. Angeblich, so die Anekdote, hatte dieser mit Kartoffeln während einer Performance auf einen Gong gezielt. Graham spann diese Geschichte im Sinne eines für die 60er-Jahre typischen Fluxus-Happenings weiter, indem er aus den Kartoffeln, die ihr Ziel trafen, Wodka brannte.

Was auf den ersten Blick vage und wenig zusammenhängend erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick als stringent konzeptionelles Vorgehen, darin verwandt seinem Freund, Kollegen und Landsmann Jeff Wall. Immer wieder versetzt sich Graham bewusst in vergangene Positionen der Avantgarde mit ihm selbst als bekennenden Amateur und Protagonisten, sei es als Musiker im Stile des Troubadours Bob Dylan oder als selbst therapierender Künstler auf einer Reise ins Unbewusste mit einer doppelten Dosis Schlaftabletten, der sich durch die Stadt in einem Lieferwagen kutschieren lässt.

Vordergründig scheint sich da ein ironisches Spiel mit den geistigen Ur- und Großvätern zu ereignen. Doch die Wiederaufnahme ehemaliger Kunstkonzepte und -haltungen dient darüber hinaus ihrer Überprüfung, wenn nicht gar dem Erkunden vergessener Momente. Bestes Beispiel dafür ist das Triptychon "The Gifted Amateur, Nov. 10th, 1962 (2007)". In dieser Arbeit gibt sich Graham als kunstinteressierter, wohlhabender US-Amerikaner zu erkennen, der nach einem Besuch einer Louis-Morris-Ausstellung den Versuch wagt, der abstrakten Kunst des Meisters nachzueifern. Dass mit Werken wie diesem "die Heroen abstrakter Kunst lächerlich" gemacht werden, wie ein Kritiker befand, trifft dabei nur einen Teil der Wahrheit.

Gerade Grahams minutiöse Detailarbeit - unter anderem ließ er für "The Gifted Amateur, Nov. 10th, 1962 (2007)" Zeitungspapier aus dieser Zeit nachdrucken, da ihm Original-Papier zu vergilbt erschien - signalisiert Grahams Interesse, sich der fiktiven Geschichte mit realem Hintergrund vorbehaltlos zu nähern. Vielleicht ist es auch der Versuch, dem oft prophezeiten Ende der Kunst durch Eingriffe in der Vergangenheit zumindest theoretisch eine andere Perspektive zu geben. Graham wäre dann so etwas wie der "Zurück in die Zukunft"-Protagonist der bildenden Kunst. Die Ausstellung wird ermöglicht durch die Rudolf-Augstein-Stiftung und die Freunde der Kunsthalle.

Rodney Graham: Through the Forest 22.10.2010 bis 30.1.2011, Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart, Glockengießerwall, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00