Peter Rösel spielt in seiner Kunst mit Phänomenen aus Natur und Alltag

Er hat flirrende Fata Morganen in der Wüste gemalt, aus Polizeiuniformen und Stacheldraht bizarre Pflanzenformen gestaltet. Neuerdings belebt er Fernsehtruhen der 50er- und 60er-Jahre mit eigenen Videoarbeiten. Der Allround-Künstler Peter Rösel versteht es, immer aufs Neue zu überraschen. Ab dem 17. Oktober gibt eine Ausstellung im Ernst-Barlach-Haus einen Überblick über sein vielfältiges Schaffen.

Unter dem Titel "Tizian, Rembrandt, Leonardo Spezial Automatic" - so lauten die Namen der sperrigen Fernsehmöbel aus Rösels jüngster Werkgruppe - sind Bilder, Objekte und Videos aus den vergangenen zehn Jahren zu sehen. Im Zentrum der Schau stehen eigens für das Ernst-Barlach-Haus geschaffene Installationen. In seiner Kunst verknüpft Peter Rösel Alltagsgeschichten und Menschheitshistorie, kreuzt das nahe liegende mit dem Fernen.

Aus Bestandteilen deutscher Polizeiuniformen, Knöpfen, Reißverschlüssen, Rangabzeichen und Unterwäsche hat er seit 1996 komplexe Pflanzenstauden genäht. Auf ironisch gebrochene Weise erinnern sie an in Büroetagen hindämmernde Grünpflanzen. Geradezu idyllisch mutet da sein auf dem Boden ausgebreiteter "Seerosenteich" an, der im Barlach-Haus zu sehen ist.

Die Gemälde des "Fata Morgana Painting Projects" fertigte Rösel überwiegend nach Fotos aus der Wüste von Namibia an. Mehrfach bereiste er das Land, nutzte die besonders starken Luftspiegelungen. Die mystisch wirkenden Naturlandschaften konterkariert er mit Errungenschaften der Zivilisation, Autos und Fahrradfahrern. Und mit Menschen, die sie durchwandern. Es sind Trugbilder, flirrend und oszillierend. Gleichzeitig stehen dem Betrachter die Bilder und Objekte nicht auflösbarer Fremdheit gegenüber. In diesem Dualismus materialisiert sich Rösels grundsätzliche Erkenntnisskepsis. "Er versteht es, unsere Sehgewohnheiten aus den Angeln zu heben", sagt Dr. Karsten Müller, Leiter des Ernst-Barlach-Hauses.

Rösel, 1966 im pfälzischen Rockenhausen geboren, wuchs in Marokko und im Irak auf und ist bis heute ein Weltenwanderer. Nach dem Studium an der Frankfurter Städelschule und einem längeren Aufenthalt in New York lebt und arbeitet Rösel überwiegend in Berlin. In seinen jüngsten Arbeiten seit 2009 hat Rösel Fernsehtruhen aus den 60er-Jahren, wie die Graetz Kalif von 1964, auf der viele Zeitgenossen ihre erste "Sandmännchen"-Sendung verfolgten, mit neuen, eigenwilligen Videoinstallationen versehen.

Rösel setzt vertraute Materialien in befremdliche Kontexte und sorgt damit für humorvolle und spannungsreiche Begegnungen. Dabei spielt er immer wieder mit unseren kulturell geprägten Vorstellungen von Natur und thematisiert nicht ohne Ironie die Errungenschaften unserer Zivilisation. Seine poetisch-anarchische Kunst kann sich an Faustkeilen und Videorecordern entzünden, ebenso wie an Geldscheinen, Glühbirnen oder Buddelschiffen. Diese tragen eine ganz besondere Flaschenpost: Texte, voller Unsinnspoesie, die ein Computerübersetzungsprogramm durchlaufen haben.

Peter Rösel - Tizian-, Rembrandt-, Leonardo-, Spezial Automatic 17.10.2010 bis 9.1.2011, Ernst-Barlach-Haus, Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50a, T. 82 60 85, Di-So 11.00-18.00