Hochhäuser im Stadtkern lehnt Hamburgs Oberbaudirektor ab. Neue Sichtachsen allerdings nicht

Als Oberbaudirekter stellt Jörn Walter die Weichen für Hamburgs Stadtentwicklung, wie die HafenCity oder die Bebauung der Innenstadt.

Hamburger Abendblatt:

Welchen Stellenwert haben die Hauptkirchen für das Hamburger Stadtbild?

Jörn Walter.

Es wird noch immer von den fünf Hauptkirchen geprägt. Früher war noch der Domturm dabei, dafür gibt es jetzt den Rathausturm. Diese sechs Türme sind nach wie vor das Identifikationsbild Hamburgs. Deswegen wird dessen Schutz in der Stadtplanung ein hoher Wert beigemessen.

Dennoch haben die Kirchen Konkurrenz bekommen, etwa durch das Hotelhochhaus am Dammtor oder durch den Heinrich-Hertz-Turm. Jetzt kommt die Elbphilharmonie dazu.

Wie weit kann sich das fortsetzen und wo liegen die Grenzen?

Hier spielen zwei große und mehrere kleinere Blickrichtungen eine Rolle. Wir haben sehr klar definiert, dass die Silhouette von der Alster aus nicht tangiert werden darf. Daraus ergeben sich auch alle Höhenfestlegungen in der HafenCity. Es gibt allerdings eine Ausnahme, nämlich die Elbphilharmonie, die von Norden her in die Silhouette hineinwächst. Aber das war eine bewusste Entscheidung, die ich inhaltlich für gerechtfertigt halte. Für normale Profanbauten gilt das nicht.

Sind Sie grundsätzlich gegen Hochhäuser?

Nein, denn Hamburg ist natürlich viel größer geworden als es im Mittelalter war. Es gibt Standorte, an denen ich mir höhere Häuser vorstellen kann, nämlich überall dort, wo die Kernsilhouette Hamburgs nicht berührt wird. Das ist der Bereich der äußeren Tore: Berliner Tor, Millerntor, Dammtor oder Lübecker Tor. Aber auch da sind keine wirklich hohen Hochhäuser denkbar. Wenn man so etwas Mal in Hamburg bauen wollte, dann wäre das an den Elbbrücken möglich, denn das ist der gefühlte Eingang nach Hamburg -und liegt abseits der Altstadt.

Die Dominanz der Kirchtürme erklärt sich aus der Stellung der Kirchen in der mittelalterlichen Gesellschaft und auch in späteren Zeiten. Wie geht man in einer säkularisierten Zeit damit um?

Aufgrund der abendländischen Religionsgeschichte bestimmen die Kirchenbauten nach wie vor das Bild unserer Städte. Kirchenbauwerke haben aber nicht nur im engeren Sinne eine religiöse Funktion, sondern sind inzwischen auch ein identitätsstiftender Faktor für die gesamte Stadtgesellschaft, und damit auch für jene, die persönlich keine oder eine andere religiöse Bindung haben. Sie haben städtebaulich eine Zeichenfunktion, geben Orientierung und sind Träger des baukulturellen und künstlerischen Erbes der Stadt. Nicht zuletzt haben die Kirchenbauwerke auch eine nicht zu unterschätzende soziale Bedeutung.

Viele Hamburger möchten deswegen auch am gegenwärtigen Stadtbild festhalten. So gibt es gegen die Bebauung des Katharinenquartiers heftigen Protest. Ist Ihnen das egal?

Nein, ich habe Verständnis dafür, dass sich Menschen darum sorgen, dass die Sichtbeziehung zu St. Katharinen beschädigt werden könnte. Die Frage ist nur, besteht bei den jetzigen Projekten tatsächlich diese Gefahr. Denjenigen, die dort jedes Bauprojekt ablehnen, widerspreche ich. Denn schon aus historischen Gründen ist eine Bebauung des Quartiers geboten. Damit nähern wir uns wieder der Einbindung des Kirchenbauwerks, die es vor der Zerstörung Hamburgs ganz selbstverständlich gegeben hat.

Mit dem KPMG-Gebäude, das die Sichtbeziehung zum Michel erheblich stört, gab es erst 1999 eine sehr negative Erfahrung: Das ist sicher auch ein Grund für die Sensibilisierung beim Thema Katharinenquartier.

Die Sorge kann ich verstehen, aber man sollte doch auf dem Teppich bleiben: Beim Michel ging es um eine 11-stöckige Bebauung, für das Katharinenquartier sind fünf bis sechs Stockwerke geplant. Das hat schon eine andere Qualität und entspricht der Bebauungshöhe in der Nachbarschaft.

Hauptfrage ist doch, ob der Blick bei der Bebauung freigehalten wird.

Strittig ist, ob der Blick ausreichend freigehalten wird. Es geht aber auch darum, welchen Blick wir freihalten wollen. Ich habe mich für die Platzsituation eingesetzt und für die Erhaltung der Platane, um den Blick von der Zollenbrücke auf den Kirchturm zu sichern. Wir haben dafür gesorgt, dass man die Uhr sehen kann. Und jetzt gibt es noch die Debatte, wie viel man von dem Fußgängerüberweg sehen soll.

Es sind vielfach neue Blickbeziehungen, die sich erst durch die Kriegszerstörungen ergeben haben. Wir wollen städtebauliche Wunden heilen, und dabei muss auch darüber entschieden werden, welche Nachkriegs-Sichtachsen wir erhalten, und an welchen Stellen wir die Kirchen wieder in das Stadtgefüge einbinden. Das ist sicher für alle Beteiligten ein Lernprozess.