Automobilclub Niederelbe im ADAC haucht seiner “Marke“ Estering neues Leben ein. Viele Helfer unterstützen den Verein tatkräftig

Buxtehude. Freude pur und Gänsehautgefühl. Als der Offroad-Ausschuss der Fédération Internationale de l'Automobile (FIA) im Oktober 2011 in Paris die Nachricht verkündete, dass auf dem Estering in Buxtehude am 29./ 30. September 2012 das Finale der Rallycross-Europameisterschaft ausgetragen wird, herrschte beim Vorstand und bei den Mitgliedern des gastgebenden Automobilclubs Niederelbe (ACN) im ADAC eine kollektive Glückseligkeit. Die Begeisterung, aber auch die Erleichterung über die Rückkehr in die internationale Rennsport-Szene unter dem Slogan "Wir holen Europa nach Buxtehude" sind auch ein halbes Jahr später beim ACN zu spüren. Jetzt ist sie allerdings gepaart mit jeder Menge, mitunter schweißtreibender, ehrenamtlicher Arbeit.

Beim Rallycross handelt es sich um Autorennen auf wechselndem Streckenbelag. Am 21./22. April wird die Saison auf dem Estering mit Läufen zur deutschen und belgischen Meisterschaft eröffnet. Parallel dazu laufen bereits die Vorbereitungen für die EM im Herbst auf Hochtouren, zu der mehrere Tausend Motorsport-Fans erwartet werden. "Wir haben reichlich zu tun, um alle gestellten Vorgaben und Anforderungen zu erfüllen", sagt Rolf-Jürgen Lützow, Zweiter Vorsitzender des Vereins, beim Rundgang über die traditionsreiche Strecke. Lützow gehört zu einem harten Kern von rund 15 Personen, die sich nahezu täglich in ihrer Freizeit ehrenamtlich für den ACN engagieren.

Zu diesem Kreis zählen neben Lützow unter anderem noch der Erste Vorsitzende Andreas Steffen, Schatzmeister Kai Hoffmann, Sportleiter Jan Hohmeier, Schriftführerin Carina Krause, die Ressort-/Abteilungsleiter Andreas Höft (Veranstaltungen), Marcus Brassat (Betreuung/Organisation), Jens Weber (Bahnwart/Bauliche Anlagen) sowie die Beisitzer Bernd Lützow, Jan Andre Lemme, Mona Lohmann und Sascha Stubnick.

Lützow verweist aber gleich darauf, "dass wir ohne die große Unterstützung durch viele weitere Freiwillige gar nicht in der Lage wären, unsere Veranstaltungen auszurichten". Am EM-Wochenende werden fast 250 Helferinnen und Helfer im Einsatz sein - zum Beispiel im Gastro-Team, beim Parkplatzeinweisen, bei der Eingangskontrolle, als Zeitnehmer oder Streckenposten. Auch das Deutsche Rote Kreuz und die Freiwillige Feuerwehr sind aktiv und unterstützen den Verein.

Der ACN selbst hat "nur" 100 Mitglieder, von denen einige sogar in den Niederlanden, in Dänemark und in Russland leben. "Viele der freiwilligen Helfer fühlen sich bei uns sehr wohl und schätzen die familiäre Atmosphäre", sagt der Zweite Vorsitzende. So kommt ACN-Mitglied Bert van Roy aus den Niederlanden alljährlich mit seiner Frau nach Buxtehude, um anzupacken.

Die Aufgaben für das Team sind im Hinblick auf drei anstehende Großveranstaltungen vielfältig: "Die Kundengewinnung für Anzeigen im Programmheft, die Terminabsprache mit Feuerwehren, der Stadt und der Polizei gehören ebenso dazu wie Hotelreservierungen für die Offiziellen oder die Herrichtung der Grünflächen und sanitären Anlagen", sagt Marcus Brassat. Zudem müssen die Strecke befestigt, Funktionärs-/Sonderausweise gefertigt, Verpflegung für das Personal bestellt, VIP-Anfragen beantwortet, Fanartikel geordert, das Fahrerlager gesäubert und die Stellflächen markiert, die Werbung angebracht sowie Veranstaltungsplakate gedruckt und im Stadtgebiet verteilt werden. Lachend fügt Brassat an: "Am Ende der Saison gehen wir alle auf dem Zahnfleisch."

Eine große Herausforderung stellt beispielsweise die Siegerehrung nach dem Finallauf dar. "Da müssen wir mehr als 500 Gäste, Offizielle und Fahrer in würdigem Rahmen unter einen Hut bekommen", sagt Lützow. Das sei aber gar nicht so leicht, da in der Stadt Buxtehude eine entsprechende Örtlichkeit nicht vorhanden sei.

Stolz sind die Verantwortlichen auch auf ein rundes Jubiläum. Zum 125. Mal findet am 21./22. April eine Rallycross-Veranstaltung auf dem Estering statt. "Damit war vor einigen Jahren nicht mehr zu rechnen gewesen", sagt Lützow und verweist auf die schwierige Lage des ACN Ende 2006: "Die Rennstrecke war in desolatem Zustand, die finanzielle Lage desaströs, die öffentliche Wahrnehmung kritisch, die Verwaltung ohne Vertrauen in Vereinsführung und den EM-Austragungslauf hatten wir auch verloren."

Das alles führte Anfang 2007 zu einer "Revolution" im ACN. Andreas Steffen und Gerd Völzer - beides aktive Fahrer - übernahmen die Führung und machten sich mit einem neuen Team auf den dornenreichen Weg der Sanierung. Die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit wurde wieder hergestellt, in vielen Bereichen Vertrauen aufgebaut und die Marke "Estering" neu entwickelt. "Das war aber nur dank vielfältiger Hilfe von außen und einer unglaublichen Arbeitsleistung der Mitglieder und Unterstützer des ACN möglich", sagt Lützow.

Firmen halfen beispielsweise mit Material, Maschinen und Kräften, um den Estering in den heutigen Zustand zu versetzen. Bahnwart Jens Weber nennt als Beispiele die teilweise Erneuerung des Bitumenfahrbahnbelags, Ergänzung von Leitplanken, Sicherheitszäune, Fahrbahnverbreiterung, Gestaltung der Naturtribüne, Sanitärgebäude, neue Starttechnik und Zeitmessung sowie den Neubau der erwähnten Joker-Lap. "Die Investitionen in den vergangenen Jahren belaufen sich auf mehr als 250 000 Euro", sagt Weber.

Schwerpunkte bei der Neuausrichtung waren auch die Einhaltung von Umweltauflagen wie Landschaftspflege, Grundwassergefährdung, Lärmbegrenzung, Müllvermeidung und umweltgerechte Entsorgung. Dazu hatte der ACN in einem ordentlichen Genehmigungsverfahren die Bestätigung der Umweltverträglichkeit des Betriebs der Rennstrecke erfolgreich nachgewiesen und darf damit - begrenzt nur durch den Bebauungsplan - jährlich bis zu zwölf Tage Motorsport auf dem Estering durchführen. "Die Mühen haben sich gelohnt", sagt Lützow. Denn nach den Abnahmen durch den Deutschen Motorportbund und durch die oberste Weltmotorsportorganisation FIA ist der Estering aktuell zertifizierte Rennstrecke. Dieses Prädikat haben sonst nur noch fünf weitere deutsche Kurse - unter anderem Nürburgring und Hockenheimring. Lützow meint: "Wir sind für die Europameisterschaft gerüstet."