Zwei Konzerte im Rolf-Liebermann-Studio porträtieren Mauricio Kagel, den Neuerer der Neuen Musik.

Mauricio Kagel war der Virtuose des direkten Zugriffs: Kaum jemand hat es verstanden, das ihn umgebende Leben unmittelbar und mit so viel Esprit in Klang zu verwandeln wie der jüdisch-russisch-deutsche Argentinier (1931-2008). Der NDR war Kagel eng verbunden; nun widmet er ihm ein ganzes Konzertwochenende.

Das NDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Fabrice Bollon, der NDR Chor und das Raschèr Saxophon Quartett führen einige seiner Hauptwerke auf und schreiten dabei eine Schaffensspanne von fast vier Jahrzehnten ab.

1974 kam Kagel als Professor für Musiktheater an die Kölner Musikhochschule. Die Stadt war damals ein Zentrum der Neuen Musik, im nahen Kürten residierte Karlheinz Stockhausen. Auf die Ajatollahs der Szene muss Kagel wie ein Außerirdischer gewirkt haben: Bei den Strömungen der Neuen Musik bediente er sich, unbekümmert um Dogmen, jeder Kontinuität abhold und sprühend vor Fantasie und Witz. Er schrieb für seriöse Sinfonieorchester, aber auch für Schuhe, Stöcke und andere Alltagsgegenstände oder komponierte eine Tennispartie nach.

Eine seiner zahlreichen musikalischen Neuerfindungen war das "Instrumentale Theater": In "Ein Brief - Konzertszene für Mezzosopran und Orchester" (1985/86) etwa muss die Sängerin - beim NDR die Sopranistin Karla Csordas - sich auf einen Stuhl setzen und genau vorgeschriebene Gesten ausführen. Und in "Interview avec D. pour Monsieur Croche et Orchestre" (1993/94) schlüpft der Schauspieler Jean Lorrain in die Haut des Komponisten Claude Debussy.

Geradezu Schlagerstatus haben Kagels respektlose "10 Märsche, um den Sieg zu verfehlen" (1978/79). Die haben mit Gleichschritt wenig zu tun: Da vollführt der Tubist wahre Kapriolen, und dem Flötisten geht die Luft aus.

In der Musik-Performance "Acustica" (1968-70), die am zweiten Abend zur Aufführung gelangt, verbindet Kagel ein vorgefertigtes Tonband mit Musik für mehrere Instrumentalisten. Experimentelle Klangerzeuger nennt er sie: Die Musik ist auf Karteikarten notiert, die Reihenfolge bestimmen die Spieler selbst.

Und den Schlusspunkt dieser klingenden Verbeugung vor Kagel bildet seine Kantate für Kammerchor und Saxofonquartett "Les Inventions d'Adolphe Sax" aus den Jahren 2004/2005 - eine Hommage des großen Komponisten für den großen Erfinder.

Hommage à Mauricio Kagel 18./19.6. je 20 Uhr, Rolf-Liebermann-Studio. Karten unter T. 0180/178 79 80