Die “Ostertöne“ betrachten “Brahms und die Moderne“ aus vokaler Sicht.

Wo bleibt das Requiem?", so ist man als treuer Besucher der Hamburger Ostertöne in diesem Jahr geneigt zu fragen. Denn nachdem Brahms' Totenmesse am Karfreitag seit 2006 zum Kernbestand von Simone Youngs Festival gehört hatte, beschreitet die Intendantin im fünften Jahr neue Wege: Statt des Requiem stehen Brahms' "Schicksalslied", die Motette "Warum ist das Licht gegeben" und die düster-großartige Alt-Rhapsodie auf dem Programm ihres Eröffnungskonzertes. Letztere wird gesungen von Star-Mezzosopranistin Waltraud Meier.

Große Stimmen nämlich bilden einen Schwerpunkt bei den diesjährigen Ostertönen: Mit Waltraud Meier und den Sopranistinnen Barbara Hannigan und Anja Harteros hat man gleich drei herausragende Sängerinnen verpflichten können. Außerdem mit von der Partie sind der NDR Chor und, wie jedes Jahr, die jungen Sänger des Opernstudios.

Barbara Hannigan und das Quatuor Diotima durchschreiten bei ihrem gemeinsamen Konzert die Strecke von Beginn der Moderne bis in die Gegenwart: Das Sopran-Solo "Ich fühle Luft von anderem Planeten" in Arnold Schönbergs Streichquartett op. 10 gilt als Initialzündung der Neuen Musik. Helmut Lachenmanns Quartett "Grido" von 2001 kommt dem am nächsten, was man bei einem Avantgardisten heute einen Publikumserfolg nennen könnte. Vertrautere Luft von dieser Welt - genauer gesagt, aus Wien - weht dagegen beim Recital der Sopranistin Anja Harteros und des renommierten Liedbegleiters Wolfram Rieger: Die beiden musizieren Lieder von Brahms, Wolf, Strauss und Berg.

Den zweiten Schwerpunkt der Ostertöne 2010 bildet die Musik des Franzosen Mark Andre. Für ein Musikfestival, das am höchsten christlichen Feiertage stattfindet, hätte man keinen glaubwürdigeren Komponisten finden können. Andres künstlerisches Credo lautet: "Es wäre schön, wenn es gelänge, dass die Botschaft Christi in meiner Musik als Nachhall vernehmbar wäre."

Sein Werk "... das O ..." etwa, das ebenfalls beim Eröffnungskonzert erklingt, ist Teil einer "Musiktheater-Passion", der Andre einen Vers des Johannes-Evangeliums zugrunde gelegt hat: "Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende."

Für das Komponistenporträt Mark Andre haben die Ostertöne die Neue-Musik-Experten des ensemble recherche gewinnen können; Andres Orchestertriptychon "... auf ..." wird beim Abschlusskonzert vom SWR Sinfonieorchester unter Sylvain Cambreling aufgeführt.

Barbara Hannigan, Quatuor Diotima 2.4., 20 Uhr, Laeiszhalle

ensemble recherche 3.4., 21 Uhr, St. Katharinen

Anja Harteros, Wolfram Rieger 4.4., 19 Uhr, Laeiszhalle