Vor dem Museum für Völkerkunde steht wohl der einzige öffentlich zugängliche balinesische Tempel Europas. Im Mai wird er geweiht.

Behutsam hat der balinesische Baumeister Artana die schwarzen Vulkansteine aus den Holzkisten genommen, in denen sie aus Indonesien angeliefert wurden. In wochenlanger Arbeit hat er sie nach einem komplizierten Plan zu zwei turmartigen Gebilden zusammengefügt, die nicht nur den deutschen Bauvorschriften genügen mussten.

Für die Errichtung des balinesischen Tempels direkt vor dem Museum für Völkerkunde an der Rothenbaumchaussee galt es, noch eine Vielzahl anderer Vorgaben zu erfüllen: Ein Bauwerk dieser Art darf zum Beispiel keinesfalls über einer Wasserader stehen, und es muss so ausgerichtet sein, dass es seine spirituelle und religiöse Funktion erfüllen kann - dass die Götter und Geister sich darin heimisch fühlen.

Aber das alles ist Herrn Artana, der das Projekt im Herbst mit zwei indonesischen Gehilfen ausgeführt hat, natürlich vertraut. Er ist auch nicht zum ersten Mal in Hamburg. 2006 hat er bereits das prächtige Prinzenhaus innerhalb der Bali-Abteilung errichtet. Seither konnten dort schon viele Zeremonien in der hinduistischen Tradition Balis gefeiert werden. Einen richtigen Tempel ersetzte das Prinzenhaus jedoch nicht.

Dass ein solches Bauwerk überhaupt jetzt realisiert werden konnte, ist der Mäzenin Juli Biesterfeld zu danken, einer Balinesin, die in Hamburg lebt und bereits die Rekonstruktion des Prinzenhauses finanziert und initiiert hat. Sie war es, die den Tempel in Bali anfertigen ließ, für seine Verschiffung sorgte und nun gewährleistet, dass er hier vor Ort gemäß der Tradition errichtet und mit allen Weihen versehen wird.

Ein solcher dem balinesischen Hinduismus zugedachter Tempel auf öffentlich zugänglichem Gelände ist in Europa bislang wohl einzigartig. "Er ist kein Ausstellungsstück, sondern erfüllt die Ansprüche unsere Museums, Traditionen nicht nur auszustellen, sondern aktiv zu leben", erklärt die zuständige Kuratorin Dr. Jeanette Kokott.

Dabei werden Passanten an der Rothenbaumchaussee das Bauwerk vielleicht gar nicht als Tempel wahrnehmen, denn es handelt sich nicht um ein Gebäude, das betreten werden kann, sondern vielmehr um "zwei Natursteinskulpturen", wie es im offiziellen Bauantrag heißt. Trotzdem handelt es sich bei diesen beiden knapp sieben und vier Meter hohen Türmen um eine typisch balinesische Tempelanlage.

"Tempel und Ausstattung unterliegen in Bali einer großen Variationsbreite. Ein von einer einfachen Steinmauer umgebener offener Bezirk kann mit Megalithen, Steinhaufen, Schreinen oder Altären bestückt sein und als Tempel erachtet werden", erklärt Dr. Kokott und fügt dann hinzu: "Die kleine Skulptur auf unserer Anlage wird TAKSU genannt, was so viel bedeutet wie 'Herrscher über den Ort' - Die große Skulptur ist Sang Hyang Widhi, dem obersten universalen Prinzip zugeeignet und wird PADMASANA - 'Lotussitz' genannt."

Anfang November hat Baumeister Artana sein Werk vollendet und ist wieder in seine balinesische Heimat zurückgekehrt. Der Tempel vor dem Museum für Völkerkunde ist fertig, seine religiöse Funktion kann er allerdings noch nicht erfüllen.

Dafür bedarf es erst der Weihe, bei der ein Priester den Geistern und Göttern Opfergaben darbringen muss. Die offizielle Tempelweihe ist für den 22. Mai geplant, anlässlich des Kuningan-Festes, einem der Höhepunkte im Festkalender Balis.