Manche Mediziner verlieren die Bodenhaftung. Das liegt auch an Patienten, die übersteigerte Erwartungen an den Arzt haben.

Das Ansehen von Medizinern in Deutschland ist hoch - trotz medienwirksamer Skandale. Einer, der Schlagzeilen machte, ist Professor Christoph B. Der Experte für Lebertransplantationen galt als Hoffnungsträger für seine Patienten. Bis ihm Betrug und Korruption vorgeworfen wurden. Erst nach Zahlung von Zusatzhonoraren habe er angeblich in einigen Fällen eingewilligt, lebensrettende Operationen durchzuführen.

Ein Arzt, der die Bodenhaftung verloren hat und meint, er stünde über Recht und Moral? Solange nichts bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung, doch der Imageschaden bleibt.

"Schwarze Schafe gibt es überall, ich weiß, dass es Kollegen gibt, die eine sehr hohe Meinung von sich haben und die damit unserem Berufsbild schaden", sagt Klaus Schäfer, Vizepräsident der Ärztekammer Hamburg. Ihm geht es um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten. Das aber funktioniere nur, indem sich beide Seiten auf Augenhöhe begegnen. Schäfer bewertet den Imageschaden durch skandalumwitterte Ärzte als eher gering. "Sicherlich sind sie nicht förderlich, aber ich erlebe eher eine Haltung à la: ,Ja, Ärzte betrügen. Aber meiner nicht!'" Das Vertrauen wiege schwerer als alarmierende Medienberichte.

Schäfer, selbst praktizierender Hausarzt, sieht sich keineswegs als Lichtgestalt, beobachtet aber bei seinen Patienten manchmal Erwartungen, die eher an einen Wunderheiler als an einen niedergelassenen Arzt gerichtet scheinen. Immer wieder begegnet ihm der Satz: "Da muss es doch was geben" und die Forderung: "Machen Sie mich gesund." "Dem Patienten dann realistische Wege aufzuzeigen, ist nicht leicht", weiß er. "Der zunehmende Fortschritt in der Medizin ist eine Segnung, doch er weckt natürlich Erwartungen."

Ganz natürlich sei die enorme Dankbarkeit schwer kranker Patienten, denen der Arzt helfen konnte. Schäfer nennt ein Beispiel: "Ein Familienvater kommt mit dem Ergebnis seiner Magenspiegelung in meine Praxis: Magenkarzinom. Also kümmere ich als sein Hausarzt mich um Termine für die Computertomografie und die OP. Ich telefoniere, organisiere, koordiniere. Was in meinem vollen Terminkalender steht, muss warten, aber mit gutem Grund und mit Erfolg. Der behandelte Patient ist für meine Hilfe im bürokratischen Prozedere überaus dankbar und betont das durchaus emotional. Und natürlich tut es mir gut, diese Dankbarkeit zu spüren", sagt Schäfer. Das ist nur allzu menschlich.

Die Dankbarkeit seiner Patienten und deren Angehörigen erlebt auch Herzchirurg Friedrich-Christian Rieß immer wieder. "Auf manche Ärzte hat solche Bewunderung sicher auch eine gewisse Wirkung. Und ja, es gibt den einen oder anderen Arzt, der die Bodenhaftung verloren hat. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es sich bei diesen um bedauerliche Einzelfälle handelt", sagt Rieß entschieden. Der Chefarzt der Abteilung für Herzchirurgie am Albertinen-Krankenhaus hat eine bodenständige Arbeitseinstellung: "Wir machen unsere Arbeit wie andere auch. In einer Gesellschaft hat jeder seine Aufgabe." Und fügt auf ein Krankenhausteam bezogen hinzu: "Jeder ist wichtig, auch die Mitarbeiter des Reinigungspersonals. Das sind keine hoch bezahlten Tätigkeiten, aber sie sind mit großer Verantwortung verbunden."

Medizinische Erfolge führt Rieß auf professionelle Erfahrung sowie eine hoch entwickelte Technik zurück. Das klingt doch irgendwie beruhigender als die Idee von einem übermächtigen Halbgott.