Kolumbianische Dressurreiter-Equipe bereitet sich zurzeit auf dem Anakenenhof in Waldenau auf die Olympischen Spiele vor

Pinneberg. Maria Inez Garcia, 48, aus Kolumbien schlendert durch die Stallgassen des Anakenenhofs in Waldenau. An ihrer Seite: Maria Fernanda, ihre 15 Jahre alte Tochter. Das Mädchen ist vor einigen Minuten vom Deutschunterricht in der Schule in Appen zurückgekehrt. Vor dem Mittagessen möchte die Mutter schnell noch ihr Lieblingspferd besuchen, das in einer Box steht und aus dem Fenster schaut.

Kupfermann heißt der 14 Jahre alte Holsteiner Wallach, der mit seinem Besitzer Wieger de Boer (Pinneberg) im Dressureck große Erfolge errang. Anfang des Jahres hat ihn Kolumbiens beste Dressurreiterin Maria Ines Garcia für ein halbes Jahr gemietet. Sie hat Kupfermann im Deutschen Derby in Hamburg-Klein Flottbek getestet und war nicht traurig, obwohl sie sich nicht platzieren konnte. Ihr großes Ziel: Sie möchte sich für die Olympischen Spiele Ende Juli in London qualifizieren. Maria bildet mit ihren Landsleuten Marco Bernal, 50, und Raul Corchuelo, 40, die ebenfalls ohne Erfolg in Flottbek ritten, eine Equipe.

Seit Anfang des Jahres hat Maria auf dem Anakenenhof ihr Trainingsquartier bezogen. Später kam Raul mit seinem 17 Jahre alten Andalusier Gusarapo aus dem bekannten spanischen Pferdegestüt Moralejo, und vor zwei Wochen gesellte sich auch Marco Bernal hinzu. Er kommt aus Wellington im US-Bundesstaat Florida, wo er mit seiner Familie lebt und wo er Pferde ausbildet. Jetzt ist das Nationalteam Kolumbiens komplett. Bernal will mit Hilfe von Pferdewirtschaftsmeister Thomas von Samson, 45, seinen zehnjährigen Oldenburger Hengst Don Akcentus auf Grand-Prix-Niveau bringen. Der Manager des Anakenenhofs, der vor 16 Jahren erste Kontakte zur Dressurreiterei in Kolumbien knüpfte, ist ein exzellenter Südamerika-Kenner und firmiert seit einigen Jahren als Nationaltrainer der Dressurreiter Kolumbiens.

"Es wird schwer werden, sich für Olympia zu qualifizieren, denn dazu sind Grand-Prix-Auftritte notwendig, bei denen eine bestimmte Prozentzahl von Punkten erreicht werden muss", sagt von Samson. "Aber das Trio ist ehrgeizig und geht voller Optimismus an die Arbeit. Vormittags und nachmittags trainieren sie eifrig die schwierigen Aufgaben, die bei Grand-Prix-Prüfungen gefordert werden."

Finanzielle Unterstützung erhalten die Reiter aus Südamerika durch ihr Nationales Olympisches Komitee nicht. "Das liegt auch daran, dass der Präsident gerade gewechselt hat", sagt Marco Bernal. "Sein Vorgänger hatte uns versprochen, mit Geldern zu helfen."

So mussten sich die drei Reiter, die sich so sehr auf die Europareise gefreut haben, selbst helfen. Sie verkauften einen Großteil ihres Hab und Guts, um ihr großes Ziel zu erreichen. "Der persönliche Aufwand war gewaltig", gesteht Maria Inez Garcia. "Wir haben in unserer Heimatstadt Bogota Kredite aufgenommen, Lebensversicherungen gekündigt, die Wohnung verkauft. Umgerechnet 300 000 Euro kostet das Abenteuer Olympia."

Maria hatte vor dem Abflug nach Deutschland eine Idee, mit der die Finanzierung von Flug, Unterkunft und Lebensunterhalt halbwegs sicherstellen könnte: "Wir suchen Spender mit Herz für den Reitsport." Auf ihrer Homepage ( www.mariainesgarcia.com ) hat sie auf Spanisch und Englisch ihren Lebensweg beschrieben, bei Facebook und Twitter im Internet führt sie ein Tagebuch über das Training und ihren Aufenthalt in Deutschland. Ein Blick auf ihre Website zeigt: Schon jetzt haben einige Pferdefreunde Geld überwiesen.

Stolz kann sie auf ihre bisherigen sportlichen Erfolge sein. Maria Inez war Landesmeisterin, sie siegte bei den Titelkämpfen von Zentralamerika und bei den Caribean Championships. Kolumbiens dreiköpfige Equipe holte bei den Panamerikanischen Spielen im Teamwettbewerb die Bronzemedaille und erhielt dadurch die Berechtigung, an Qualifikationsturnieren für Olympia teilzunehmen. Ein Start in London wäre für die kolumbianischen Reiter die Krönung ihrer bisherigen Laufbahn. Laut Schengener Abkommen hätte Maria nach drei Monaten wieder zurück nach Kolumbien fliegen müssen. Der Honorarkonsul von England hatte ein gutes Herz. Er ermöglichte es, dass Maria Inez Garcia bis zum letzten Olympiatag in Europa bleiben darf, das sind exakt sechs Monate seit ihrer Ankunft in Hamburg. "Darüber bin ich sehr glücklich", sagt die sympathische Dressurreiterin.