Michael Wunder berät Menschen mit Behinderung gemeinsam mit ihren Partnern und Angehörigen

Dr. Michael Wunder ist Leiter des Beratungszentrums der Ev. Stiftung Alsterdorf, Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut.

Welche Form von Beratung können behinderte Paare oder Paare, bei denen nur einer behindert ist, bei Ihnen bekommen?

Michael Wunder:

Wir beraten Menschen mit Behinderung, insbesondere mit geistiger Behinderung, in lebenspraktischen und partnerschaftlichen Fragen und sehr häufig auch bei ganz persönlichen Konflikten. Wir bieten Psychotherapien und pädagogische Beratung in Krisen an. Als diakonisches Haus haben wir ein christliches Leitbild. Dazu gehört der Respekt vor dem anderen und vor seiner Würde. Gleichheit vor Gott ist einer unserer Kernsätze, mit denen wir unsere Arbeit begründen.

Kommen Behinderte zu Ihnen, die Probleme haben, einen Partner zu finden?

Ja, ich kenne viele Fälle von Menschen mit Behinderung, die sich nach einem Partner sehnen. Deswegen haben wir schon vor Jahren eine Partnervermittlung namens "Schatzkiste" gegründet, speziell für Menschen mit Behinderung. Mit einem zwanglosen Treff, ein niedrigschwelliges Angebot, das sehr gut angenommen wird.

Wünschen sich Behinderte eher einen Nichtbehinderten als Partner?

Es gibt sicher etliche Menschen mit Behinderung, die sich einen nicht behinderten Partner wünschen, weil sie sich davon mehr Zugehörigkeit in der Gesellschaft versprechen. Es gibt aber genauso häufig Menschen mit Behinderung, die sich einen behinderten Partner wünschen, weil sie glauben, dass der sie eher versteht. Die Konstellation, dass Behinderte und Nichtbehinderte zusammenfinden, ist allerdings sehr selten. Und dann, wie in der Geschichte von Steffen und Bianca, ist es ein großes persönliches Glück.

Warum ist das so, welche Grenzen müssen da überwunden werden?

Heute können sich einfach sehr viele Menschen nicht vorstellen, mit einem behinderten Partner zusammen zu sein. Da spielen sicher Vorurteile, Abwertungen, aber auch Fremdheit eine Rolle.

Ich glaube aber, dass die Gesellschaft in einem starken Veränderungsprozess ist. Es wird immer normaler, dass Menschen mit Behinderung überall wohnen und arbeiten. Damit wird es in Zukunft sicher auch mehr behindert-nicht-behinderte Paare geben. Letztendlich ist aber wichtig, dass die Grundbedingungen für so eine Partnerschaft stimmen.

Wie kann so eine Beziehung gut funktionieren?

Die Partner müssen prüfen, ob die Beziehung gleichberechtigt ist oder ob altruistische oder egoistische Gründe eine große Rolle spielen. Also, ob der Nichtbehinderte nur die Beziehung eingeht, weil er etwas Gutes tun will. Der Behinderte muss sich fragen, ob er seinen Partner benutzt, um endlich in der Welt der Nichtbehinderten anzukommen. Das wären beides brüchige Fundamente. Was wirklich zählt, ist Liebe und die Akzeptanz des anderen genauso, wie er ist. Und der Wunsch, dass man sich gemeinsam entwickelt.

Ist es sinnvoll, dass ein Partner bei der Pflege des anderen mithilft?

Nein, nur in Notfällen sollte der Partner helfen. Auch wenn er nicht behindert oder leicht behindert und dazu in der Lage ist. Wir werden häufiger gefragt, ob ein Zusammenziehen sinnvoll ist. Ist es, aber wir raten dem Paar auf alle Fälle zu einer externen Pflegeperson, die vor allem auch die Pflege im Hygienebereich übernimmt. Weil sonst die Schamgrenze überschritten wird. Und das beeinflusst die Abhängigkeit der Partner untereinander sehr. Dann wird aus einer partnerschaftlichen Beziehung eine Pflegebeziehung.