Lebendig und multikulturell - In der Heilig-Geist-Kirche in Farmsen arbeiten Pfarrer und Ehrenamtliche Hand in Hand

Wie eine Trutzburg liegt die 1975 erbaute Heilig-Geist-Kirche an der großen Kreuzung mitten in Farmsen, unweit von U-Bahnhof und Einkaufszentrum. Gedrungen und aus dunkelrotem Backstein, mit einem Glockenspiel, das an nackten Betonträgern hängt, wirkt das wabenförmige Gotteshaus von außen zunächst wenig einladend. Tatsächlich behauptet es sich aber seit Jahrzehnten nicht nur erfolgreich gegen den Verkehrslärm, von dem nichts durch die dicken Mauern ins Innere dringt, sondern auch gegen den Trend sinkender Mitgliedszahlen und leerer Kirchenbänke: Die Gottesdienste der Heilig-Geist-Kirche sind die mit am besten besuchten in ganz Hamburg - etwa 800 Menschen aus 65 Nationen kommen am Wochenende zu den heiligen Messen, die sonnabends einmal und sonntags zweimal gefeiert werden.

Dieser Erfolg ist vor allem Pater Karl Schmickler (70) zuzuschreiben, der der rund 4000-köpfigen Gemeinde seit 1992 vorsteht. Neben einer Auszubildenden zur Pastoralassistentin ist er der einzige Angestellte der Kirche. Das Mitglied des Pallottinerordens führt seine "Schäfchen" mit rheinländisch froher Art, großer Güte und nach der Devise des Ordensgründers Vinzenz Pallotti: Der in Rom geborene Geistliche hatte vor mehr als 200 Jahren das revolutionäre Anliegen, die Laien aus ihrer passiven Rolle innerhalb der Kirche herauszuholen und zu aktiver Mitarbeit anzuregen. "Mir ist wichtig, die Leute zur Mitarbeit zu bewegen und jeden Einzelnen nach seinen Fähigkeiten einzusetzen", sagt Pater Schmickler.

Durch das Engagement Ehrenamtlicher konnte ein Anbau finanziert werden

Und weil ihr Pater mit gutem Vorbild vorangeht - er malt sogar die großen Plakate selber, die außen an der Kirche schlagkräftig christliche Slogans verkünden -, ist auch die Gemeinde bereit, sich zu engagieren. So hat sich ein Heer von Ehrenamtlichen gebildet, das den Pater in allen Bereichen tatkräftig unterstützt. Es gibt verschiedene Gesprächsgruppen, eine Schola, eine Taizé-Gruppe, den größten Pfadfinderstamm Norddeutschlands und viele Menschen, die die ganz alltäglichen Aufgaben übernehmen.

Dadurch spart die Gemeinde Lohnkosten für Küster, Reinemachetruppe, Bürokraft oder Chorleiter ein. Und belohnte sich dafür vor neun Jahren mit dem Bau der "Pallotti-Halle": Mit dem Ersparten wurde der frühere Innenhof zwischen Kirche und Pastorat mit einem Glasdach versehen und dem Gotteshaus angegliedert. Die Erweiterung war angesichts der oft überfüllten Gottesdienste dringend notwendig geworden; jetzt können an Festtagen bis zu 130 zusätzliche Besucher an den Messen teilnehmen, die mit einem Großbildschirm in den Anbau übertragen werden. "Rund 200 000 Euro haben wir damals für den Bau der Halle zusammenbekommen - das ist doch beachtlich, oder?", sagt Karl Schmickler.

Der Pater steht unter der schlichten Holzskulptur von Vinzenz Pallotti, die gegenüber dem Altarraum neben einem mächtigen, fast 20 Quadratmeter großen Glasfenster hängt. Es bildet einen schönen Kontrast zu den weißen Kirchenwänden und symbolisiert mit den Farben Blau, Braun und Grün das Wasser, die Erde und die Natur. Mittendrin schwebt eine weiße Taube mit einem Ölzweig im Schnabel: der Heilige Geist. Früher bildete das prächtige Bleiglasfenster die Rückwand der ursprünglichen Kirche. Mit dem Umbau des Innenhofs wurde es zu einer zweiflügeligen Glastür umgestaltet, die nun Kirchenraum und Anbau miteinander verbindet. So ist der hölzerne Vinzenz symbolträchtig ins Zentrum der Kirche gerückt - und damit an den Platz, der ihm als geistigem Mentor des ehrenamtlichen Engagements von Gemeindemitgliedern gebührt.

Bauen, putzen, betreuen - Mitglieder arbeiten in allen wichtigen Bereichen

Etwa 80 Ehrenamtliche sind in Farmsen aktiv. Einer von ihnen ist Alfred Sochor (46), Mitglied im Kirchenvorstand und zuständig für die 15-köpfige "Bautruppe". Die Männer bauen die Zelte für die Gemeindetreffen nach den Sonntagsgottesdiensten auf, harken Laub auf dem Grundstück, auf dem auch Kindertagesstätte, Grundschule und Seniorenheim liegen, oder erledigen vorbereitende Baumaßnahmen - wie gerade für die Erweiterung der Kita, die von 48 auf 74 Plätze aufgestockt wurde. "Wir haben Gräben für die Kanalisation gezogen und Dachrinnen angebaut", sagt Sochor, der als Karosseriebaumeister das technische Know-how hat. Seine ganze Familie engagiert sich für "ihre" Kirche: Ehefrau Eva als Kommunionhelferin, die Söhne Florentin und Jakob als Messdiener.

Auch Daniela Weiske (23) ist seit ihrer Kindheit in der Gemeinde verwurzelt: Sie besuchte hier die Kita, wurde als Neunjährige Messdienerin, ist seit sieben Jahren als Messdiener-Leiterin zuständig für etwa 70 Ministranten, betreut als Kommunionkatechetin ungefähr 50 Erstkommunion-Kinder und macht nebenbei noch im Pfarrgemeinderat mit. "Auch wenn es ein sehr zeitaufwendiges Ehrenamt ist", sagt die Lehramtstudentin, "es macht Spaß, Gott und Gemeinde zu dienen und aktiv christliche Werte wie Toleranz, Respekt und Nächstenliebe zu vermitteln."

Das findet auch Clemens Kaufmann (48), der sich nicht nur bei den Gemeindefesten als "Grillmeister" verdingt, sondern auch Motor des Ruanda-Projektes ist, das die Gemeinde 1994 ins Leben gerufen und mit mittlerweile 200 000 Euro unterstützt hat. "Seit einigen Jahren machen auch unsere Grundschüler mit - sie sollen erleben, dass sie anderen helfen können", sagt Kaufmann, der die zehn bis zwölf Stunden Ehrenamt pro Woche neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer Verpackungsfirma ausübt.

Renate Alfeis (65) und Waltraut Schütz (69) managen die Putzgilde, die aus neun Frauen besteht. Sie wischen den grauen Steinboden, stauben Tabernakel, Taufbecken und Altar, Orgel und Kirchenbänke ab - und die zahlreichen Kerzenständer, durch die sich der nüchterne Kirchensaal bei den Gottesdiensten in ein Lichtermeer verwandelt. "Wir haben in dieser Gemeinde unsere Heimat gefunden", sagen die beiden Frauen. Und bringen damit das Gefühl aller "Heilig Geistler" genau auf den Punkt.