Hamburg. Kompaktwagen ärgert seinen Fahrer nicht mit digitalem Überfluss. Niedriger Preis ist das Hauptargument, doch auch das Gesamtpaket überzeugt.

Wer die Möglichkeit hat, häufiger verschiedene Neuwagen zur Probe zu fahren, der fühlt sich beim ersten Kennenlernen der getesteten Autos in der Regel wie beim Konfigurieren eines Tablet-PC, womöglich noch mit einem Wechsel von Android zu Apple oder umgekehrt. Denn parallel zur Elektrifizierung der Modellpaletten, sei es per Hybrid oder als reines E-Auto, haben sich die Cockpits vieler Modelle in mehr oder weniger digital-verspielte Kommandozentralen verwandelt, die ihre Piloten durch allerlei Lichtsignale, Warntöne oder sogar spürbare Eingriffe ins Lenkrad verunsichern. Und die statt weniger klar definierter Schalter und Knöpfe eine bunte Palette von Bedienebenen auf einem großen Monitor anbieten, die sich dem Erstnutzer auf Anhieb – und manchmal auch später – nicht wirklich erschließen.

Dacia Sandero: eines der wenigen günstigen Autos am Markt

Wie wäre es da, mal ein einfaches, leicht zu verstehendes Auto fahren zu können? Eines, das nicht mehr, aber eben auch nicht weniger kann als ein solider Kompaktwagen ohne Attitüde. Und das für einen akzeptablen Endpreis die wichtigsten Grundbedürfnisse des Autofahrers erfüllt, ohne zu versuchen, in irgendeiner Disziplin „neue Maßstäbe“ zu setzen.

Das Cockpit des aktuellen Dacia Sandero (mit Sonderausstattung).
Das Cockpit des aktuellen Dacia Sandero (mit Sonderausstattung). © Dacia

Gibt es nicht mehr? Doch. Ein solches Auto ist ohne Frage der Dacia Sandero, der es im Vorjahr tatsächlich auf Platz 2 in der Liste der meistverkauften Autos Europas gebracht hat, drei Plätze vor dem VW Golf und nur knapp hinter dem Peugeot 208. Mit 4,09 Metern Länge ist das Modell groß genug, um vier Menschen halbwegs komfortabel von A nach B zu bringen.

Vom Billigheimer zum respektierten Preiswert-Anbieter

Hatte die rumänische Marke dereinst als osteuropäischer Billigableger mit abgelegter Technik von Renault begonnen, ist sie den Kinderschuhen inzwischen entwachsen und vor allem jenen ein Begriff, die dem klassischen Statussymbol entsagen wollen. Mehr noch: Als rollende Antithese von Werbe-Ikone Mehmet Scholl auf die TV-Schirme gebracht, wuchs das Interesse an den günstigen Gefährten auch in deutschen Landen stetig.

Zwar sind die Zeiten vorbei, als vierstellige Summen für den Erwerb des Basismodells genügten, mit einem Grundpreis von 11.300 Euro kann sich der Sandero in mittlerweile dritter Generation aber durchaus noch als Preiszwerg sehen. Dafür gibt es dann allerdings nur das nackte Abspeckprogramm, sodass die von uns bewegte Version TCe 90 Expression (Basis: 13.750 Euro, mit ein paar Extras 16.750 Euro) eher zu dem passt, was echte Kunden tatsächlich bei Dacia ordern. Denn auf elektrische Fensterheber zum Beispiel verzichten heute wirklich nur noch wahre Puristen.

Sandero bietet viel Auto ohne digitalen Schnickschnack

Und was bekommen die Dacia-Kunden fürs Geld? Eine ganze Menge Auto, ohne großen digitalen Schnickschnack. Das Multimediasystem (es steht mit 400 Euro Aufpreis auf der Liste der verbauten Extras und empfängt auch DAB+) kann mit einem Kabel zwar per CarPlay oder Android Auto die wichtigsten Handy-Apps auf den Bildschirm bringen, wirkt aber ansonsten farblich und grafisch wie eine Super-simpel-Lösung. Aber das wollten wir ja genau so.

Der Rest fühlt sich an wie ein Auto aus der analogen Zeit. Es gibt fünf Gänge, keine sechs. Das Cockpit zeigt ein klassisches Gesicht mit Tacho und Drehzahlmesser. Das Winterpaket beschränkt sich weitgehend auf die Klimaautomatik und die Sitzheizung vorne. Dazu liefert Dacia im Extrapaket noch eine Einparkhilfe vorne und hinten, sogar mit Rückfahrkamera. Nur im Notfall wird man bemerken, dass ein Bremsassistent sowie eine E-Call-Funktion verbaut sind, beides ist in der EU inzwischen Vorschrift.

Von den Materialien her ist der Sandero kein Überflieger, aber das will er ja gar nicht sein. Der Kunststoff ist eher von der härteren Sorte, da und dort sorgen Stoffapplikationen für etwas Gemütlichkeit. Die Sitze sind okay, mancher wünscht sich eine etwas bessere Ausformung, aber das ist mitunter Geschmackssache und abhängig von Größe und Leibesfülle.

Motor klingt kernig, ist aber etwas schwach auf der Brust

Der Motor, ein 1,0-Liter-Dreizylinder mit 91 PS/67 kW, klingt, wie Dreizylinder oft klingen: etwas rauh, etwas kernig. Die 160 Nm Drehmoment ab 2100 U/min verhelfen dem Sandero zu akzeptablen Beschleunigungswerten (gut 12 Sekunden bis Tempo 100) und einer Höchstgeschwindigkeit von 174 km/h. Das reicht, um auf der Autobahn bei Bedarf an den meisten E-Autos vorbeizuziehen, die akkuschonend nicht schneller als 130 bis 140 km/h fahren.

Der Verbrauch liegt laut Norm im Mittel bei rund 5,3 Litern Super, tatsächlich sollte man aber eher mit 6,5 Litern rechnen. Es sei denn, man legt es darauf an, mit allen Fahrtricks die Zielwerte zu erreichen – was wohl möglich wäre. Recht gut verrichtet unterwegs das Fahrwerk des Sandero seinen Dienst, schließlich muss es auch in Ländern mit (noch) schlechteren Straßen als in Deutschland funktionieren. Noch schnell einen Blick in den Kofferraum: Hier stehen mindestens 328 Liter zur Verfügung, das ist für ein Auto dieser Klasse ganz gut. Die hohe Ladekante ist ein kleiner Minuspunkt.

Dacia Sandero: Option für alle, die sparen wollen

Unter dem Strich erweist sich der Sandero zu Recht als interessante Option für alle, die keine Lust haben, zu viel Geld für ein Auto auszugeben. Und für die ein Elektroauto, das natürlich ungleich teurer wäre, aus verschiedenen Gründen auf absehbare Zeit noch nicht infrage kommt.

Dacia Sandero TCe 90: Die Bewertung im Detail

Fahrverhalten ++--

Ausreichende Kraftentfaltung, solides Fahrwerk

Leistung ++--

1,0-Liter-Benziner, 67 kW (91 PS), Vmax: 174 km/h

Verbrauch ++--

Norm (WLTP): 5,3 l/100 km, CO2: 119 g/km, Test: 6,5 l

Preis ++++

Basispreis: 13.750 Euro, Testwagen: 16.750 Euro