Der Tiguan wirkte bisher stets etwas bieder. Nun feiern die Niedersachsen das Ende der Langeweile.
Schlagzeilen macht VW zurzeit vor allem mit dem Skandal um geschönte Abgaswerte bei Euro-5-Motoren. Dabei ist die Präsentation des neuen Tiguan auf der IAA fast untergegangen. Dessen Diesel erfüllen immerhin die Euro-6-Norm und sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht von Softwaremanipulationen betroffen (dass Norm- und Praxiswerte bei Euro-6-Fahrzeugen vieler Hersteller trotzdem stark abweichen können, ist Experten schon länger bekannt).
Der Tiguan war bisher im wörtlichen wie im übertragenen Sinne so etwas wie der Golf fürs Grobe: Er basiert nicht nur auf dem Wolfsburger Erfolgsmodell, sondern beherrscht auch das SUV-Segment so dominant wie der König der Kompaktklasse das seinige – wenngleich er stets etwas bieder wirkte.Und genau wie der Golf ist der Tiguan ein eher biederer Geselle, der nur bei den Buchhaltern das Blut in Wallung bringt. Doch damit soll es jetzt vorbei sein. Nun feiern die Niedersachsen das Ende der Langeweile. „Die Schärfe der Linien zeigt Solidität und Präzision. Geschliffen wie ein Diamant, superscharf, superklar. Gleichzeitig hochemotional“, sagt Designchef Klaus Bischoff und rühmt die Silhouette mit der doppelten Charakterlinie, die den Tiguan von anderen Geländewagen abhebe.
Nobles Interieur und mehr Assistenten wie das aktuellste Infotainment-System
Den Unterbau dafür liefert – zum ersten Mal bei einem VW-Geländewagen – der Modulare Querbaukasten, also jede Großserientechnik, die auch in vielen anderen Konzernmodellen zum Einsatz kommt. , der bereits den Golf trägt. Damit sinkt das Gewicht um bis zu 50 Kilo, auch verbessern sich die Proportionen: Die Länge wächst um sechs, der Radstand um acht Zentimeter, außerdem wird der Tiguan je drei Zentimeter flacher und breiter. Deshalb steht das Auto satter und sportlicher auf der Straße und wirkt mit dem nachgeschärften Design tatsächlich so, als könne der Blutdruck endlichein bisschen steigen.
Die besten Bilder der IAA
Aber von der neuen Architektur profitiert nicht nur die Form, sondern mit dem Format wächst auch der Innenraum. Auf den Sitzen hat man mehr Schulter- und Kniefreiheit, und der Kofferraum schluckt künftig eine Tasche mehr: 615 Liter passen bei voller Bestuhlung hinter die große Klappe, und wenn man die um 18 Zentimeter verschiebbare Rückbank umklappt, gehen 1655 Liter hinein – 145 Liter mehr als bisher. Dazu gibt es ein Interieur, das wie immer bei VWbetont nüchtern und gleichermaßen nobel ist, mehr Assistenten denn je und natürlich die aktuellste Infotainment-Generation samt Smartphone-Integration und Online-Navigation.Und anders als den Golf kann man den Tiguan auch mit dem digitalen Kombiinstrument aus dem Passat bestellen. Für den Antrieb stehen zum Start im nächsten April je vier Benziner und Diesel zur Wahl, die ein breiteres Leistungsspektrum abdecken.
Los geht es jetzt bei 115 PS, die Spitze markiert vorerst der Power-Diesel aus dem Passat, mit dem der Tiguan auf 240 PS kommt. Auch das dürfte das Blut ein bisschen in Wallung bringen. Vernunft und Vergnügen gehen allerdings auch unter der Haube Hand in Hand. DennWährend die Motoren stärker und das Fahrverhalten sportlicher werden, will VW den Verbrauch gedrückt haben. Außer der sportlichen R-Line, dem Offroad-Paket und der zivilen Standard-Variante soll es den Tiguan auch als Plug-in-Hybriden geben. Offiziell noch eine Studie, aber längst für die Serie beschlossen, fährt er mit einem 1,4-Liter-Benziner, einem E-Motor und einem 13 kWh großen Lithium-Ionen-Akku, den man an der Steckdose laden kann. So kommt der Geländegänger auf eine Systemleistung von 218 PS und eine elektrische Reichweite von 50 Kilometern. und einen Labor-Verbrauch von 1,9 Litern – sparsamer war bislang noch kein Geländewagen im VW-Konzern.
Und wenn das Wetter gut ist, braucht er in der Theorie sogar noch weniger. Nicht umsonst haben die Entwickler ihm ein großes Solarfeld aufs Dach montiert, das auch während der Fahrt den Akku lädt. Zwar sieht Entwicklungschef Heiz-Jakob Neußer im neuen Tiguan so etwas wie die moderne Interpretation des Vans, der Millionen von Autofahrern und deren Familien als idealer Begleiter durch den Geschäftlichen und privaten Alltag dient und nennt ihn „einen Allrounder der Neuzeit.“ Doch so viele Bedürfnisse der Wagen auch befriedigen mag, eine Auto für alle wird nicht mehr reichen. Sondern Für VW markiert der Tiguan den Beginn einer groß angelegten Gelände-Offensive, die im nächsten Jahr auch einen Tiguan XL mit sieben Sitzen und ein Tiguan Coupé bringen wird.