Über die Autofahrer dürften keine Bewegungsprofile erstellt werden, sagt Johannes Caspar. Was man zur neuen Pkw-Maut wissen muss, finden Sie hier im Überblick.

Hamburg. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Prof. Johannes Caspar kann sich die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geplante Pkw-Maut nur unter strikten Auflagen vorstellen. Eine umfassende Kontrolle oder gar Bewegungsprofile von Autofahrern müssten über eine strenge gesetzliche Zweckbindung der Mautdaten ausgeschlossen sein, sagte Caspar der Nachrichtenagentur dpa.

„Die Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der geplanten gesetzlichen Regelungen dienen.“ Dazu gehöre auch, dass es wie bei der Lkw-Maut ausgeschlossen sein müsse, dass Daten nach anderen Rechtsvorschriften beschlagnahmt werden können. „Ferner muss sichergestellt werden, dass die erhobenen Daten im Nicht-Trefferfall sofort vom System gelöscht werden“, sagte Caspar.

Durch die geplante Pkw-Maut ist nach Ansicht des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner die Privatsphäre der Autofahrer bedroht. „Jetzt sollen unbescholtene Bürger auf der Autobahn durchleuchtet werden. Ich traue der CSU keinen Meter über den Weg, dass unsere Streckenprotokolle auf Dauer sicher sind“, sagte Lindner.

Die Innenminister würden schon bald die Daten abfordern. „Dann ist wieder ein Stück Privatheit verloren gegangen.“ Gesunder Menschenverstand und Datenschutz blieben auf der Strecke, damit die CSU die Maut durchsetzen könne, sagte Lindner, der auch Fraktionsvorsitzender der FDP im NRW-Landtag ist.

Von einer „Murks-Maut“ sprechen kritische Beobachter seit Langem. Auch der von Dobrindt jetzt vorgelegte Plan kann die Kritiker nicht beruhigen. Als Dobrindt im Juli seine ersten Vorschläge für eine Pkw-Maut präsentierte, ging es um farbige Klebemarken aus Papier. Und eine Vignette gleich für das komplette Straßennetz der Republik. Knapp vier Monate und einen heftigen Sommerstreit zwischen den Unionsparteien später legt der Bundesverkehrsminister jetzt einen Gesetzentwurf vor – ohne Papiervignetten und auch sonst mit einigen Änderungen.

Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Regelungen:

Auf welchen Straßen soll die Maut kommen?

Dass Dobrindt zunächst überraschend eine Überall-Maut vorgeschlagen hatte, sorgte für den meisten Ärger. Prompt folgte ein Aufschrei aus grenznahen Regionen. Unternehmer und Gastwirte fürchteten Einbußen, wenn deswegen weniger Besucher aus Nachbarländern herüberkommen. Die CDU-Landesverbände NRW und Rheinland-Pfalz drohten mit einem Nein zur Maut, so dass Dobrindt ihnen entgegenkam. Das Mautnetz wird nun um 178.000 Kilometer geschrumpft: Ohne Landes- und Kreisstraßen bleiben noch 52.000 Kilometer auf den Autobahnen und Bundesstraßen. Dafür will der Bund aber auch alle Einnahmen behalten. Das Ministerium rechnet mit jährlich 500 Millionen Euro extra für Investitionen.

Was ist konkret für Inländer geplant?

Autobesitzer aus dem Inland sollen künftig eine Infrastrukturabgabe zahlen, die jährlich vom Konto abgebucht wird. Im Gegenzug wird die Kfz-Steuer um dieselbe Summe reduziert. Damit soll die Vorgabe des schwarz-roten Koalitionsvertrags garantiert werden, dass kein Inländer draufzahlt. Der Preis berechnet sich nach Schadstoffausstoß und Motorgröße. So fallen für einen VW Polo 1.2 statt bisher 52 Euro Kfz-Steuer künftig 28 Euro Steuer an, dazu kommen 24 Euro Maut. Die Mautpflicht gilt für alle unabhängig von den Fahrgewohnheiten. Das Ministerium verweist darauf, dass praktisch jeder zumindest auf dem Netz der Bundesstraßen unterwegs ist, die auch innerorts verlaufen.

Was gilt für Fahrer aus dem Ausland?

Fahrer in Pkw, die in Nachbarländern zugelassen sind, sollen nur für Autobahnen zahlen wie auch anderswo in Europa üblich. Keine Maut gilt für sie aber auf Bundesstraßen, über die zum Beispiel Holländer oder Schweizer zum Einkaufen kommen – das soll den Grenzverkehr schützen. Ausländer können im Internet oder an Tankstellen ebenfalls eine genau berechnete Jahresmaut wählen. Daneben gibt es je nach Bedarf eine Zehn-Tages-Maut für zehn Euro und eine Zwei-Monats-Maut für 22 Euro. Diese Bedingungen sollen gewährleisten, dass Ausländer gemäß EU-Recht nicht benachteiligt werden. Sie zahlen sogar für weniger Straßen als Inländer. Dadurch würden nun aber auch nicht Deutsche diskriminiert, argumentiert das Ministerium. Sie hätten ja sowieso keine Mehrkosten.

Wie soll das Mautsystem funktionieren?

Statt einer Papiervignette ist eine „elektronische Vignette“ geplant. Das bedeutet, dass alle Mautzahler am Nummernschild zu erkennen sind, da ihr Kennzeichen registriert wird. Zur Überwachung der Maut sollen die Nummernschilder elektronisch gelesen und geprüft werden. Ähnlich funktioniert auch schon die Überwachung der Lkw-Maut. An rund 300 festen Kontrollbrücken und mobilen Geräten wird unter anderem das Kennzeichen aufgenommen, gecheckt und – wenn alles in Ordnung ist – sofort wieder gelöscht. Mautpreller müssen mit Geldbußen rechnen.

Wer organisiert die Maut?

Die Abrechnung des elektronischen Mautsystems, also den Zahlungsverkehr sowie die Einbuchung der Kennzeichen in die Datenbanken und die Übermittlung dieser Daten an die Kfz-Steuerbehörden, soll das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg übernehmen. Ganz anders als bisher prognostiziert, meint Dobrindt, dafür in Flensburg nur 74 neue Stellen schaffen zu müssen. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) soll für die Kontrolle des Mautsystems 400 neue Planstellen erhalten, verteilt auf die verschiedenen Dienststellen im ganzen Bundesgebiet. Die Änderung der Kfz-Steuer indes obliegt dem Zoll, der diese Steuer bisher schon abwickelt und dem Bundesfinanzminister untersteht.

Wie geht es weiter?

Der Gesetzentwurf wird nun in der Bundesregierung abgestimmt. Der Koalitionspartner SPD hat schon gründliche Beratungen im Bundestag angekündigt. Ins Kabinett kommen soll der Maut-Entwurf zusammen mit einem Gesetz zum Umbau der Kfz-Steuer, den das Finanzministerium erstellt. Nach ersten positiven Signalen aus Brüssel steht das Votum der neuen EU-Kommission aus. Als Ziel hat Dobrindt genannt, die Maut am 1. Januar 2016 „scharf zu stellen“.

Bedenken wegen der Speicherung von Kennzeichen

Unterdessen hat Dobrindt auch hat datenschutzrechtliche Bedenken bei der Pkw-Maut zurückgewiesen. Kein Bürger müsse sich Sorgen machen, dass nun „Profile gespeichert werden könnten“, sagte der Minister der „Bild“-Zeitung. Kontrollen fänden stichprobenartig statt und die Daten würden sofort nach der automatischen Abfrage, ob ein Kfz-Halter Maut gezahlt habe, wieder gelöscht. Eine Weitergabe an andere Behörden finde „nicht statt“, sagte Dobrindt.

Die Grünen warnten in der „Rheinischen Post“ hingegen vor möglichen umfassenden Bewegungsprofilen. Es dürfe keinen „gläsernen Pkw-Fahrer“ geben, sagte Parteichef Cem Özdemir der Zeitung. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, sagte der Zeitung, sie werde „mindestens die hohen datenschutzrechtlichen Standards der Lkw-Maut einfordern“. Das betreffe insbesondere die Zweckbindung der Gelder und die Pflicht zur „unverzüglichen Löschung“ von Daten, sofern kein Verstoß gegen die Mautpflicht festgestellt werde.

Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sprach im RBB-Inforadio von einer „Murks-Maut“. Sie sei nicht europafreundlich, sondern provinziell. Die erwarteten Einnahmen der Pkw-Maut seien zudem nur ein Tropfen auf den heißen Stein bei der Finanzierung wichtiger Verkehrs. Dem CSU-Chef Horst Seehofer warf er Stammtisch-Politik vor. „Da ist das Maß aller Dinge, das Maß Bier. Das kann kein Kritierium für rationale Verkehrspolitik sein.“