Deutschland setzt auf das Elektroauto. Doch die Technik hinkt hinterher. Fieberhaft suchen Forscher nach der 500-Kilometer-Batterie.

Trotz Wirtschaftskrise mit Kurzarbeit und Firmenpleiten hat eine Berufsgruppe in Deutschland bislang keine Probleme bei der Jobsuche: die Elektroingenieure. Denn die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie sucht derzeit händeringend wie noch nie nach Fachpersonal, das sich mit Strom auskennt. Der Treibstoff aus der Steckdose soll nicht nur einen ganzen Wirtschaftszweig retten, sondern auch in eine glorreiche Zukunft führen.

Die Tüftler in den Forschungsstätten grübeln über der Frage, wie die Batterien langlebiger, leichter und sparsamer werden können. Wer als Erster ein Auto verspricht, das 500 oder gar 1000 Kilometer mit einer Stromladung fährt, hat gewonnen.

Bis zum Jahr 2030, so eine jüngst veröffentlichte Prognose der Fachhochschule Bergisch Gladbach, könnte die Hälfte aller Neuwagen mit Strom fahren. Dass nun auch die Bundesregierung rund 500 Millionen Euro in die Entwicklung der Zukunftstechnologie investieren will, ist da nur folgerichtig. "Unser Ziel ist es, Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen", sagt Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

Allerdings kommt der nationale Entwicklungsplan, der bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen soll, recht spät. In anderen Ländern ist man deutlich weiter. So gilt kein Hersteller aus dem Mutterland des Automobils, sondern der japanische Branchenriese Toyota mit seinen alltagstauglichen Hybridmodellen seit Jahren als Vorreiter für alternative Antriebe, wenngleich man auch dort noch keinen reinen Stromer im Programm hat.

Und in den USA, zu Recht oft gescholten für Sprit fressende Auto-Saurier, hat es die kleine Firma Tesla sogar bereits geschafft, einen rassigen Sportwagen mit reinem Elektroantrieb auf den Markt zu bringen. Der einzige Haken an der Sache: Wegen der teuren Lithium-Ionen-Akkus kostet der Zweisitzer mit mehr als 300 Kilometer Reichweite in Deutschland noch rund 120 000 Euro. Aber schon bald soll eine Mittelklasselimousine folgen, für die in den USA umgerechnet nur noch rund 35 000 Euro verlangt werden. Und selbst der angeschlagene Gigant General Motors hat für 2010 ein Großserienmodell namens Volt angekündigt, das mit Strom immerhin gut 60 bis 80 Kilometer weit kommen soll. Ist man dann noch nicht wieder daheim an der Steckdose, kann die Reichweite mittels bordeigenem Benzin-Generator um mehrere Hundert Kilometer verlängert werden. Im Alltagsbetrieb dürfte das Ganze auf ein Ein-Liter-Auto hinauslaufen, das weniger als 30 000 Euro kostet.

Bei aller Begeisterung für technische Entwicklungen bleiben noch viele Hürden. "Der Weg zum Elektroauto wird mindestens so schwer wie der Ausweg aus der Krise - und vor allem wird er länger dauern", sagt etwa Bernd Bohr, der beim Autozulieferer Bosch die Kfz-Technik verantwortet. Er warnt vor allzu optimistischen Ankündigungen, schon naher Zukunft könnten Elektroautos in den Ballungsräumen das Verkehrsgeschehen revolutionieren. "Das Elektroauto wird anfangs in kleinen Stückzahlen in Nischen auf die Straße kommen", sagt Bohr voraus, "und erst nach dem Jahr 2020 wahrnehmbar sein."

Hauptproblem bei der Entwicklung elektrisch betriebener Fahrzeuge ist die komplizierte Batterietechnik - vor allem die bislang unzureichende Energiedichte. Ein Kilogramm Benzin speichert einen 50- bis 100-mal höheren Energiegehalt als ein Kilo Batterie. Entsprechend größer ist nach dem heutigen Stand der Technik die Reichweite eines Diesel- oder Benziner-Pkw. Für die Mindestreichweite von 200 Kilometern, die im Alltagsbetrieb laut einer Umfrage jeder dritte deutsche Pkw-Käufer akzeptieren würde, benötigt ein Elektroauto eine Batteriekapazität von rund 35 Kilowattstunden. Das allerdings würde derzeit rund 250 Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Akkus voraussetzen. Ein Wert, der bis zum Serienstart noch deutlich verringert werden müsste. Auch die Infrastruktur müsste mit Lade- oder Wechselstationen kundenfreundlicher werden.

Ein adäquater Stromspeicher kostet nach derzeitigem Stand etwa 17 000 Euro und wird sich selbst in einigen Jahren noch in einer Spanne zwischen 8000 und 12 000 Euro bewegen müssen, um wirtschaftlich zu sein. Der Stromspeicher muss mühelos Hunderte von Ladezyklen ähnlich unbeschadet überstehen wie ein Benziner den Besuch an der Zapfsäule - und das bei jeder Temperatur. Eine geringere Reichweite könnte die Kosten eines Elektroautos zwar reduzieren, würde aber auf Zurückhaltung bei den Kunden stoßen. Laut Statistik bewegen die meisten Autofahrer ihren Wagen maximal 80 Kilometer am Tag - wollen aber nicht gefühlsmäßig ständig auf Reserve fahren.

Kritiker werfen den Strom-Protagonisten vor, der Umwelt einen Bärendienst zu erweisen. Denn mit der Zahl der Elektroautos, so die These, steige auch der Strombedarf, neue Kraftwerke müssten her. Weit gefehlt, kontert Umwelt-Staatssekretär Matthias Machnig. "Bei einer Million Elektroautos, die in zehn Jahren auf deutschen Straßen rollen könnten, ist von keinerlei signifikanten Auswirkungen auf den Stromverbrauch auszugehen", schrieb Machnig im "Handelsblatt". Aufgrund ihrer Energieeffizienz benötigten eine Million Fahrzeuge gerade einmal 0,3 Prozent des in Deutschland verfügbaren Stroms.

Wie weit die Hersteller mit ihren Stromern wirklich sind, können sie Mitte September auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt zeigen. Daimler etwa, übrigens inzwischen Partner des Elektro-Pioniers Tesla, will ab Ende 2009 die Produktion von rund 1000 Fahrzeugen des Zweisitzers Smart mit Elektroantrieb starten. 2010 soll das erste Mercedes-Benz-Modell mit Batterieantrieb vorgestellt werden. Laut Forschungschef Thomas Weber wird die Batterietechnik "unter guten Bedingungen rein elektrisches Fahren mit der kompakten A-Klasse über eine Reichweite von 200 Kilometern ermöglichen". Von 2012 an sollen alle Pkw von Daimler mit Lithium-Ionen-Batterien aus eigener Produktion ausgerüstet werden.

Konkurrent BMW testet derzeit in den USA, Großbritannien und Deutschland rund 600 Elektroautos der Marke Mini. Bis spätestens 2015 will BMW ein emissionsfreies Fahrzeug in Serie produzieren. Dieser geplante Cityflitzer für Großstädte soll zunächst als reines Elektrofahrzeug auf den Markt kommen. Die Batterien will BMW von der deutsch-koreanischen Gemeinschaftsfirma SB LiMotive kaufen, das je zur Hälfte dem Autozulieferer Bosch und dem südkoreanischen Elektronikriesen Samsung gehört.

Audi plant 2012/2013 eine Testflotte von Elektroautos, 2015 soll die Serienfertigung starten. Auf der IAA soll bereits ein großes Elektromodell gezeigt werden. Audi will die teure Technologie erst in größeren Modellen zum Einsatz bringen und nach und nach auf kleinere übertragen. Im Frühjahr 2008 ist Audi mit dem japanischen Eletronikkonzern Sanyo eine Partnerschaft zur Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien eingegangen.

Volkswagen hat für 2013 das erste Elektroauto angekündigt. Diese "New Small Family" basiert auf der neuen Kleinwagenserie "Up!". VW strebt dafür eine Reichweite von mindestens 100 Kilometern an. Bei der Batterietechnik hat sich das Unternehmen ebenfalls mit internationalen Spezialisten zusammengetan: Toshiba, Sanyo und BYD aus China.

Trotz all dieser futuristischen Pläne ist der Benzinmotor noch lange nicht Vergangenheit. Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, sagte: "Der Verbrennungsmotor hat noch nicht ausgedient. Im Gegenteil: Er wird laufend optimiert." Einer Million Elektroautos stünden 50 Millionen Benziner gegenüber.