Im Jahr 1924 stellte der Fiat Mefistofele einen Geschwindigkeits-Weltrekord auf. Heute ist der Oldtimer das teuerste Stück im Firmenmuseum.

Fiat und Sportwagen - das soll nicht zusammenpassen? Gut, heute haben die Italiener dafür ihre PS-starken Firmentöchter Ferrari, Maserati und Alfa Romeo. Doch vor mehr als 80 Jahren sah das ganz anders aus. Da stellte Fiat sogar einmal das schnellste Auto der Welt: den Mefistofele ("Teuflischen"). Er wurde am 12. Juli 1924 vom Briten Ernest Eldridge mit 234,98 km/h über eine lange Gerade bei Arpajon in Frankreich geprügelt und stellte damit alle bis dahin gültigen Geschwindigkeitsrekorde ein. "Allerdings musste man ein wahrer Teufelskerl sein, um diesen Höllenhund zu beherrschen", berichtet Michele Lucente.

Der Mann sieht zwar ganz brav und bieder aus und hat so gar nichts vom verwegenen Draufgänger. "Doch er ist der einzige im ganzen Fiat-Konzern, der hinters Steuer darf", unterstreicht Restaurator Dazia Gianfranco. Zu gefährlich ist der Kettenantrieb, zu fragil sind die nur hinten montierten Bremsen, zu kompliziert die außen angeschlagene Schaltung und zu riskant die vertauschten Pedale für Gas und Bremse, als dass man irgendein Risiko eingehen würde. "Außerdem ist der Wagen ein absolutes Einzelstück und für uns nicht zu ersetzen. Da müssen wir schon ein bisschen vorsichtig sein", räumt der Restaurator ein, dem das Auto während der vierjährigen Grundsanierung offenbar sehr ans Herz gewachsen ist: "Selbst die Versicherungssumme von sieben Millionen Euro könnte den Schaden nicht decken."

Dass der Wagen jetzt neben etwa 260 anderen Oldtimern wieder zum Bestand des Autoherstellers zählt, hat Museumschef Raffaele Terlizzi dem einstigen Fiat-Patriarchen Gianni Agnelli zu verdanken. Der hatte den Mefistofele in den Siebzigern beim Festival of Speed in Goodwood gesehen und spontan entschieden: "Der Wagen muss zurück nach Italien." Für eine nicht protokollierte Summe und zwei Fiat 125 als Dreingabe kam der Rekord-Renner so nach Turin und stand viele Jahre in der historischen Sammlung, bevor man 2007 mit der Restaurierung begann.

Imposant und einschüchternd wirkt der Oldie bereits im Stand: Räder und Motor - aus viel mehr besteht der Mefistofele nicht. Er basiert auf dem Rennwagen SB4 von 1908 und wurde von Eldridge eigens für den Rekordversuch umgebaut. Nichts ist besser als Hubraum - außer mehr Hubraum. Nach diesem Motto hat der Brite in seinem Rennstall in Brooklands den alten Vierzylinder rausgeschmissen und einen Sechszylinder eingebaut. Der stammt ebenfalls von Fiat, wurde ursprünglich für Kampfflugzeuge entwickelt und ist entsprechend kräftig: Aus wahnwitzigen 21,7 Litern Hubraum schöpft er 320 PS und macht so ein Spektakel, als sei der letzte Tag gekommen. Es ist brüllend laut, brütend heiß und überall liegt beißender Qualm in der Luft. So imposant wie die Leistung und der Auftritt ist allerdings auch der Verbrauch: "Bei einem Liter auf 500 Metern ist nach fünf Minuten der Tank leer", verrät Lucente.

Natürlich ist das Kraftwerk des Rekordwagens gewaltig, und stolz wiegt Sammlungsleiter Terlizzi den acht Kilo schweren Kolben in der Hand, als nutze er ihn zum Hanteltraining. Und während sich Fahrer Lucente draußen auf der Teststrecke auf dem winzigen Einzelsitz hinter dem Steuer einrichtet, rutscht man selbst auf den öligen Holzboden, sucht Halt zwischen der niedrigen Brüstung und dem Fahrer, lässt sich die Hüfte vom Auspuff grillen. Obwohl der Wagen noch keine fünf Minuten läuft und ein dickes Seil als Isolierung um das Kanonenrohr gewickelt wurde, sieht man das Metall schon glühen und spürt eine höllische Hitze.

Wenn Lucente Gas gibt, ist es als hätten sich die Tore zur Hölle geöffnet: Der Qualm beißt in den Augen, alles stinkt nach Pech und Schwefel oder zumindest heißem Motoröl und man wähnt sich in einer Wanne voll kochendem Wasser. Wie schnell der rote Renner fährt, kann man nur erahnen. Wie fast jedem Rennwagen fehlt auch dem Mefistofele der Tacho. Und die Drehzahl hilft auch nicht bei der Orientierung: Sie klettert selbst bei Vollgas kaum über 2000 Touren, andere Sportwagen kämen da schon ordentlich ins Stottern.

Doch es fühlt sich auf der Strecke zumindest schnell an, verdammt schnell sogar. Während Lucente hinter einer winzigen Scheibe kauert, reißt der Fahrtwind dem Beifahrer ungehindert an den Haaren. Es entgleiten einem die Gesichtszüge, jede auftreffende Fliege schmerzt wie ein Nadelstich, und was den Insassen da aus dem Motorhaube alles für Flüssigkeiten entgegengeschleudert werden, will man gar nicht wissen. Dabei lässt es des Fahrer sogar noch langsam angehen, nimmt früh den Fuß vom Gas und lässt den Wagen schon nach wenigen Sekunden wieder ausrollen: "Für das Rekordtempo von damals bin ich viel zu feige", gesteht Lucente.