BAIC soll am Kauf von Opel interessiert sein. Branchenexperte sieht Volksrepublik schon 2021 auf Augenhöhe mit deutschen Produzenten.

Hamburg. Bei Opel liegen nach der einigermaßen glimpflich überstandenen Zitterpartie um den Verbleib bei der Muttergesellschaft General Motors (GM) erneut die Nerven blank. Wieder geht es um einen möglichen Verkauf, wieder um mehr als 20 000 Arbeitsplätze in Deutschland. Dieses Mal drehen sich die Gespräche allerdings um ein völlig neues Zukunftsszenario für Opel: Chinesen sollen an der Traditionsmarke interessiert sein, laut "Welt" geht es um BAIC aus Peking, einen Konzern, der unter den fünf größten Autoherstellern im Reich der Mitte rangiert.

Von GM gab es in den vergangenen Tagen zwar einige Meldungen, die in die Nähe eines halbherzigen Dementis der angeblichen Verkaufspläne kommen. Eine chinesische Zukunft für Opel wäre allerdings auch nicht unlogisch.

Opel braucht Geld, denn trotz einer kräftig anziehenden Autokonjunktur in seinem wichtigsten Markt Europa schaffte es der Hersteller noch immer nicht in die schwarzen Zahlen. Den Chinesen fehlt es hingegen nicht an einer gut gefüllten Kasse. Die Autobauer aus der Volksrepublik waren zuletzt deutlich ertragsstärker als Rivalen wie VW oder BMW, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Dafür fehlt es ihnen aber an Know-how für alternative Antriebstechnologien. Die wiederum bietet Opel: Im nächsten Jahr kommt der Ampera auf den Markt, ein Mittelklassewagen mit Elektromotor, der vorrangig von deutschen Opel-Ingenieuren in Rüsselsheim und Bochum entwickelt worden ist. Deutscher Autobau hat seinen Preis, das haben die Amerikaner in der GM-Zentrale schmerzlich erfahren und sind mit ihrer Geduld am Ende, auch angesichts eines monatelangen Machtkampfes mit den hiesigen Betriebsräten um einen Stellenabbau.

Für die Chinesen ist ein Wagen "made in Germany" dagegen immer noch fast jede Summe wert, bei ihnen werden weltweit die meisten S-Klasse-Mercedes verkauft. Die Werke von Premiumanbietern wie BMW oder Audi in China arbeiten am Anschlag. Dass allein die deutschen Hersteller ein Fünftel des chinesischen Automarktes beherrschen, einheimische Marken wie Great Wall Motors oder Roewe zusammen nur jedes dritte Auto an ihre Landsleute verkaufen, passt der Regierung so gar nicht in die Wachstumspläne. Schließlich betrachtet sie die Autoindustrie als wichtigste Schlüsselbranche und gibt bis 2020 umgerechnet allein elf Milliarden Euro zur Unterstützung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen aus.

Es zeichnet sich seit den vergangenen Monaten bereits ab, dass sich die Chinesen in Europa mit Technologiefirmen eindecken, um schnell auf ein Niveau mit den westlichen Innovationsführern zu kommen. "In zehn Jahren sind die Chinesen beim Autobau auf Augenhöhe mit uns", sagt Stefan Bratzel, Autoexperte bei der FH Bergisch Gladbach. Die Japaner hätten dazu 25 Jahre benötigt, die Koreaner noch 15, die Chinesen aber schafften es durch die Übernahmen schneller, mit den Erfindern des Automobils gleichzuziehen.

Der Autobauer Geely aus Hangzhou hat auch aus diesem Grund bereits Volvo übernommen, Pang Da beteiligte sich an Saab. Beide chinesische Firmen sicherten sich damit das Wissen eines Premiumherstellers. Der in der Volksrepublik zweitgrößte Auto- und Lastwagenhersteller Dongfeng soll derzeit zudem über den Kauf einer Beteiligung am schwäbischen Getriebehersteller Getrag verhandeln. Die Investmentholding Joyson Automotive mit Sitz in der Nähe von Shanghai, hat sich bereits 75 Prozent am unterfränkischen Autoelektronikhersteller Preh mit 2500 Mitarbeitern einverleibt.

Die Asiaten schauen bei ihrer Automobilstrategie dabei nicht nur ins Ausland wie jetzt möglicherweise bei Opel, sondern setzen neuerdings auch VW, BMW und Co. in China selbst verstärkt unter Druck. Bisher hatte Peking internationale Hersteller bereits gezwungen, ihre Wagen in Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern zu bauen. Jetzt sollen die Gäste gemeinsam mit den Zwangspartnern eigene Marken entwickeln. Und die Rechte für diese Projekte sollen, anders als in Joint Ventures früher üblich, in China liegen.