Auf legendären Strecken oder in der tiefsten Provinz: Rallyes mit historischen Fahrzeugen erleben derzeit einen Boom.

Hamburg. Wer einen edlen Oldtimer besitzt, der will normalerweise auch damit fahren. Gelegenheiten, dies mit Gleichgesinnten zu tun, gibt es immer mehr: Oldtimer-Rallyes sprießen wie Pilze aus dem Boden - mal mit viel Prominenz am Start, mal mit wenigen ambitionierten Teilnehmern, mal auf legendären Strecken wie der Mille Miglia, mal in der tiefsten Provinz, wo zumeist Kühe als Zuschauer an der Strecke stehen.

Bei der Vielzahl der Veranstaltungen verliert man als Anfänger schnell den Überblick. Dirk Henning Strassl ist seit Jahrzehnten in der Szene aktiv. Vor über 25 Jahren hat er für BMW die Abteilung "Historische Fahrzeuge" mit aufgebaut und das Konzept der BMW Euro Classic ausgearbeitet. Diese Zuverlässigkeitsfahrt durch die Alpen feierte inzwischen unter dem Namen "Südtirol Classic Schenna" in diesem Jahr ihr 25. Jubiläum. Strassl selbst geht regelmäßig mit seinem Jaguar XK 120 OTS, Baujahr 1953, bei etlichen Veranstaltungen an den Start.

Wer einen Oldtimer besitze, so ist Strassl überzeugt, habe gleichsam die Verpflichtung, diesen auch zu fahren. "Klassische Fahrzeuge sind Kulturgüter und lebendige Zeugen des Maschinenbaus, zeugen von innovativem Design und industrieller Leistungsfähigkeit, die man erhalten und auch einsetzen muss", sagt er. Mit seinem Jaguar kommt er auf eine Jahresleistung von bis zu 8000 Kilometer. Zwar gehe immer mal wieder etwas kaputt, aber das gehöre eben zur Charakteristik dieser Fahrzeuge. Er genießt es, während der Fahrt mit Kenner-Ohr auf die Befindlichkeiten von Motor, Getriebe und Achsen zu achten.

Der Faszination von alten Automobilen erliegen immer mehr Menschen. Knapp 210.000 Fahrzeuge haben hierzulande das spezielle H-Kennzeichen für historische Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sein müssen. Tendenz steigend. Einsteigern empfiehlt Strassl die Lektüre von Fachzeitschriften sowie den Besuch von Fachmessen. Dort stehen Experten den Neulingen bereitwillig mit Rat und Tat zur Seite.

Inzwischen gibt es in Mitteleuropa mehrere Hundert Veteranenrallyes. Das Niveau reicht von sehr sportlichen und professionellen Veranstaltungen wie der Mille Miglia oder der Ennstal Classic über mit Prominenten gespickte Termine wie der Silvretta Classic bis hin zur 2000-km-Deutschlandfahrt, Sachsen-Classic oder der Rallye Bavaria Classic. Wenn kein potenter Sponsor hinter einer Oldtimer-Rallye steht, muss sich der Veranstalter über die Nenngelder finanzieren. Sie betragen oft zwischen 1500 und 2000 Euro pro Auto. Zusammen mit Versicherung, Wartungs- und Reparaturkosten, Spezialbenzin und Reisespesen kommt schnell eine stolze Summe zusammen.

Dass sich immer öfter mehr oder weniger bekannte Menschen aus Film, Sport und Wirtschaft hinters Steuer eines Oldtimers zwängen, liegt nicht unbedingt an deren plötzlich entflammter Liebe zu diesen Fahrzeugen, sondern oft auch an der Aussicht auf mediale Präsenz. "Da wird die Berichterstattung zum Lockmittel", sagt Strassl, "das verwässert leider oft das Bild der Veranstaltung." Wenig Verständnis bringt er für diejenigen auf, die alte Autos nur als gewinnträchtige Geldanlage betrachten. Denen sei das Auto zum Fahren viel zu schade. Die Folge: "Die schönen Stücke werden immer seltener." Stattdessen werden die Teilnehmerfelder der Rallyes mit Autos aus den 50er- und 60er-Jahren gefüllt. "Mercedes 190 SL und sogar 300 SL, Jaguar E-Type, MGA und VW Karmann gibt's beispielsweise wie Sand am Meer", sagt der Experte.

Ziemlich sportlich drauf sind oft die Fahrer italienischer Marken wie Alfa Romeo und Lancia oder englischer Autos wie Austin Healey, Bentley oder Triumph: "Die wollen richtig Gas geben", berichtet Strassl lächelnd, "das sind die wirklich Echten."