Mit dem neuen Countryman wächst die Mini-Modellpalette um einen erstaunlich großen Viertürer mit Allradantrieb.

Zum zehnjährigen Geburtstag des in BMW-Hand wieder auferstandenen Kleinwagens Mini backen seine Macher eine richtig große Torte. Der neue Mini Countryman, der im September zu Preisen ab 20 200 Euro in den Handel kommt, sei ein "vollwertiges Familienauto", behauptet Gert Hildebrand, Mini-Chefdesigner und Konditor des Geburtstagskuchens. "Schauen Sie, wie viel Platz im Fond herrscht. Und der Kofferraum fasst 350 Liter, bei umgeklappten Rücksitzen sogar 1170 Liter." Vor Begeisterung reißt er vier Türen und die Heckklappe auf. "Der erste viertürige Mini", lobt er sein jüngstes Baby. Um dessen Sinnhaftigkeit zu beschreiben hält er auch ein Schlagwort parat: "Getaway car" nennt er den in Deutschland erdachten und in Österreich gebauten Wahl-Briten, den ersten viertürigen und allradgetriebenen Mini.

Mit dem "Getaway car" meint Hildebrand nicht etwa ein Fluchtauto, das mit einer stattlichen Länge von 4,11 Meter seiner eigentlichen Kleinwagen-Bestimmung davonfährt, sondern ein Fahrzeug für alle aus der Stadt herausstrebenden Aktivisten. Doch zunächst einmal ist der Mini Countryman eine clevere Geschäftsidee.

Mit zunehmender Sympathie der Marke Mini wächst auch die Modellpalette. Auf die zweitürige Limousine (geschlossen und als Cabriolet) folgte bereits der Kombi. Und bevor ein zweisitziges Coupé sowie ein Roadster in den Markt fahren, wagen die Mini-Macher das Unglaubliche: Sie mästen den Mini zum SUV. Klar, dass die Puristen nun schimpfen und mit einem kategorischen Nein beantworten, was viele fragen: Ist der neue Countryman noch ein Mini? Seine Länge von 4108 Millimeter, seine Breite von 1789 und die Höhe von 1561 Millimeter sprechen für sich. Es sind in etwa die Maße eines VW Golf. Warum ein so großer Mini, Herr Hildebrand? "Kunden haben danach gefragt. Familien mit bis zu zwei Kindern sind die bisherigen Mini zu klein. In den Countryman passt auch ein Kinderwagen", rechtfertigt der Chefdesigner das neue Format. Tatsächlich sitzt man auf Einzelsitzen hinten so komfortabel wie im Fond einer Mercedes C-Klasse. Die Sitze sind 13 Zentimeter längsverstellbar. Ohne Aufpreis kann man alternativ eine (ebenfalls längs verstellbare) Sitzbank für drei Personen bestellen.

Und wozu braucht ein Mini so viel Bodenfreiheit und einen Allradantrieb? Jetzt steigt Gert Hildebrand vorn ein und weist auf die sieben Zentimeter höhere Sitzposition gegenüber der Limousine hin. "Frauen lieben es, im Stadtverkehr nicht zu anderen Verkehrsteilnehmern hoch schauen zu müssen. Deshalb diese 'Semi-Command'-Position."

Wir begreifen: Nicht etwa die Bodenfreiheit für Fahrten in unwegsamem Gelände am Ende der Welt war Entwicklungsziel, sondern die hohe Sitzposition für Fahrerinnen auf dem Weg zum Shopping. Und wozu braucht "frau" den Allradantrieb, Herr Hildebrand? "Den ALL4 genannten Allradantrieb gibt es nur in den besonders Drehmoment-starken Versionen Cooper S und Cooper D. Und nur auf Wunsch. Er steigert die Traktion in schnell gefahrenen engen Kurven", sagt Hildebrand, "und nimmt das Antriebsmoment an der Vorderachse zurück, was zu einer gefühlvollen Lenkung führt."

Mit Druck auf den Startknopf rechts schüttelt sich das 1,6-l-Vierzylinder-Turbodiesel-Aggregat kurz und fällt zufrieden brummend in den Leerlauf.

Das zentrale Infotainment beherrscht die Armaturentafel in der Mini-typischen Bauweise. Wie große Ohren eskortieren zwei Lüftungsdüsen das riesige Display. Gegenüber früheren Modellen ist höherwertiger Kunststoff verbaut. Dem Premiumanspruch hält der Materialmix zwar noch immer nicht stand, aber man fühlt sich nicht länger in eine öde Plastikwüste versetzt. Zügig nimmt der Diesel-Countryman Fahrt auf, die Abstimmung des Sechsganggetriebes folgt der der Limousine, gleiches gilt für die Lenkung. Der gegenüber der Mini Limousine höhere Schwerpunkt und immerhin 360 Kilo Mehrgewicht führen aber zu mehr Karosserieneigung in Kurven. Auch die größeren Federwege des ansonsten geometrisch gleichen Fahrwerks (McPherson vorn, Multilink hinten) tragen dazu bei.

Doch der Countryman ist kein "Weichei". Wenngleich er nicht so knackig um die Kurven wedelt wie die sportlich straffer abgestimmte Mini Limousine, so ist er doch weit davon entfernt, es anderen Kompakt-SUVs gleichzutun, etwa einem Skoda Yeti. Und dem für Fronttriebler typischen Untersteuern in Kurven begegnet der Allradantrieb mit wirkungsvoller Umverteilung der Antriebskräfte. Bei Schlupf an den Vorderrädern schließt eine am Hinterachsdifferenzial platzierte, elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung blitzschnell, sodass bis zu 50 Prozent des Antriebsmoments an die Hinterachse fließen. Der Countryman wird stabilisiert, seine Kurvenwilligkeit erhöht. Bei Geradeausfahrt auf trockenem Asphalt wird die Vorachse mit dem gesamten Antriebsmoment betrieben.

Wie in der Limousine folgt die präzise Lenkung auch im Countryman dem Fahrerwillen. Das Ansprechverhalten des 112 PS starken, von Peugeot gelieferten Motors trägt ebenfalls zum Sportsgeist des Countryman bei.

Wenn im Modellangebot des Mini nach oben Platz ist für den gut im Futter stehenden Countryman, sollte Gert Hildebrand da nicht auch über eine Erweiterung der Modellpalette nach unten nachdenken? Der sonst so rastlose Designer Hildebrand schweigt. Widerspricht aber auch nicht unserer Überzeugung, dass entweder ein kurzer Zweisitzer oder ein 2+1-Sitzer eine sinnvolle Ergänzung sei -ein Stadtfahrzeug in Konkurrenz zum Smart Fortwo, wenn der BMW-Mini seinen zwölften Geburtstag feiert. Im Mini-typischen Design müsste er auffahren und unbedingt als agiler Kurvenfeger.

Gert Hildebrand zuckt, schmunzelt, und dann platzt es aus ihm heraus: "Warten Sie's nur ab!"