Experte bestätigt: Bei den Punkten Haltbarkeit und Sicherheit gibt es keine Nachteile im Vergleich mit fabrikneuen Pneus.

Hamburg. Sie sind preiswert, umweltfreundlich und meist besser als ihr Ruf: Nachdem runderneuerte Reifen längst an jedem zweiten Lkw zum Einsatz kommen, lassen auch immer mehr Pkw-Fahrer welche aufziehen. "Zwar gibt es wie bei den Neureifen auch hier schwarze Schafe und gefährliche Billigimporte", sagt Prüfingenieur Thorsten Helfen von der Sachverständigenvereinigung KÜS. "Doch wenn der Reifen fachgerecht und regeltreu erneuert wurde, steht er einem fabrikneuen Reifen in Haltbarkeit und Sicherheit in nichts nach."

Für die zweite Verwendung auf der Felge sprechen nach Angaben des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk vor allem der Preis und der Umweltgedanke. "In der Regel sind unsere Produkte bis zu 40 Prozent günstiger als Neureifen", sagt Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler. Außerdem würden bei der Produktion weniger Energie und Rohöl benötigt: "Während die Produktion eines neuen Reifens etwa 28 Liter Rohöl beansprucht, brauchen wir im Schnitt nur 5,5 Liter. Und unser Energiebedarf liegt bei etwa 70 Prozent."

Möglich ist das, weil bei der Runderneuerung der Unterbau des Reifens, also die Karkasse, ein zweites Mal verwendet wird und computergesteuerte Maschinen nur das abgefahrene Gummi auf der alten Lauffläche entfernen, erläutert Erich Kraft. Er leitet bei Reifen Ihle die Herstellung der Eigenmarke Rigdon. Danach bringen sogenannte Beleg-Extruder eine Rohgummimischung für den neuen Laufstreifen auf, die in der Zusammensetzung der von Neureifen entspricht. "Abschließend kommt der bis dahin noch blanke Reifen bei 15 bar und etwa 160 Grad in die Heizpresse." Wie der Kuchenteig in der Form wird das Gummi dort "gebacken" und bekommt so sein Profil.

"Allerdings hat längst nicht jeder Reifen die Chance auf ein zweites Leben", sagt Wolfgang Köberl, Leiter der Runderneuerung bei der Firma Respa. "Von über 120 Reifenmarken nehmen wir nur die Karkassen von 15 Fabrikaten in unsere Auswahlliste auf." Außerdem werden nur Reifen erneuert, die bis maximal Tempo 210 zugelassen sind. Luxuslimousinen und Sportwagen fahren deshalb garantiert auf neuen Gummis. Die verwendeten Altreifen werden gründlich überprüft, sagt KÜS-Experte Helfen. Risse, Verletzungen an der Karkasse oder der Reifendecke, ein gebrochener Wulst, Abnutzungen der Innenbeschichtung oder Schäden durch die Einwirkung von Öl und Chemikalien führten deshalb zwangsläufig zum Aus. Dabei setzen die Runderneuerer nicht nur auf die scharfen Augen ihrer Mitarbeiter, sondern zum Teil auf Laseranalysen. Deshalb bestehen nur etwa 30 Prozent aller anfallenden Reifen die strenge Eingangskontrolle.

Die Maßnahmen der Reifenhersteller werden vom Gesetzgeber streng kontrolliert. "Die ursprüngliche ECE-Genehmigung des alten Reifens ist durch die Änderung erloschen. Deshalb muss der Runderneuerer beim Kraftfahrtbundesamt eine Genehmigung erwirken", erläutert Helfen. Darin ist eine detaillierte Kennzeichnungspflicht festgeschrieben, an der Verbraucher zweifelsfrei die Biografie des Reifens erkennen können: "Runderneuerte müssen mit dem Symbol 'R' oder der Aufschrift 'runderneuert', 'retread' oder 'retreaded' gekennzeichnet sein", sagt Helfen. Außerdem müsse das Datum der Erneuerung auf die Flanke geprägt werden, damit sich das Alter rekonstruieren lässt.

"Der Aufwand lohnt sich - auch für den Endkunden", erläutert Hans-Jürgen Drechsler. "Werkserneuerte Reifen, die diesen aufwendigen Prüf- und Produktionsprozess durchlaufen, müssen den Vergleich mit einem Marken-Neureifen nicht scheuen und sind meist besser als billige Importware aus Fernost." Auf ewig lässt sich die Nutzung eines Reifen jedoch nicht verlängern. Mit Rücksicht auf Qualität und Sicherheit werden die Pneus in Deutschland deshalb nur einmal runderneuert, sagt Drechsler. Spätestens dann drohen auch ihnen die Heizöfen der Zementindustrie oder das Dasein als Schaukel auf einem Kinderspielplatz.