EU-Verordnung zwingt zum Anschnallen an Bord. Der TÜV rät zu speziellen Kindersitzen.

Berlin. Wer mit einem Kleinkind auf Flugreisen geht, muss es ab sofort auf dem Schoß mit anschnallen. Der sogenannte "loop belt", der eine Verlängerung des Gurts für den Erwachsenen ist, soll den kleinen Passagier bei Starts und Landungen sichern. Aber in Wirklichkeit ist er lebensgefährlich, warnt der TÜV Rheinland: Durch den "Klappmesser-Effekt" bei einem plötzlichen Stopp faltet sich der Erwachsene mit vollem Schwung um das Kind, dem zugleich der Gurt in den Bauch schneidet. Schwerste innere Verletzungen sind die Folge.

Bisher war der gefährliche Gurt in Deutschland verboten, wie auch in den USA und Kanada. Weltweit gab es keine einzige Studie, die belegt hätte, dass das Sicherungssystem die Überlebenschancen der Kinder bei einem Unglück steigern würde. Doch eine EU-Verordnung zwang Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) dazu, den gefährlichen Gurt für Kinder unter zwei Jahren zur Pflicht zu machen. Zufrieden ist er damit nicht: "Wir wollen grundsätzlich das Problem der Doppelbelegung mit einem Erwachsenen und einem Kind auf einem Sitz abschaffen", heißt es im Ministerium. Entsprechende Bemühungen liefen auf EU- und internationaler Ebene. Bis dahin lautet die Empfehlung an die Eltern, einen Extra- Sitzplatz für den kleinen Mitreisenden zu buchen. Diesen stellen die Fluggesellschaften zu günstigeren Preisen zur Verfügung, wobei der Nachlass stark variiert, da er keinen gesetzlichen Auflagen unterliegt.

Doch wie soll das Kleinkind in dem Flugzeugsitz neben seinen Eltern gesichert werden? Die normalen Gurte haben die falschen Abmessungen, und Kindersitze gibt es an Bord fast keiner Airline. Gerade erst ist Lufthansa dabei, spezielle Sitze zu entwickeln, die in Reihen mit extra breitem Abstand an der Rücklehne der Vordersitze angebracht werden.

Nur fünf deutsche Kindersitze sind bisher offiziell für den Einsatz an Bord zugelassen: "Maxi Cosy City", "Storchenmühle Recaro Maximum", "Römer Baby Safe", "Römer King Quickfix" und der "Luftikid", der jedoch nur auf Anfrage hergestellt wird, tragen das Label "for use in aircraft" vom TÜV Rheinland. Sie sind etwa an Bord von Atlas Air, Condor, LTU, Air Berlin und HapagFly.com zugelassen.

In Flugzeugen kommen noch stärkere Kräfte zum Wirken als im Auto. Doch die besondere Herausforderung war es, überhaupt Sitze zu finden, die mit einem reinen Beckengurt befestigt werden. "Außerdem haben wir in einem Flugzeug sehr viele unterschiedliche Sitze", erläutert Martin Sperber, Teamleiter Luftfahrt beim TÜV Rheinland. Bis zu 20 verschiedene Modelle befinden sich allein in der Economy Class einer Maschine. Entsprechend müssen die Fluggesellschaften auch Angaben dazu machen, welche Plätze für die Anbringung der Kindersitze geeignet sind.

Das Deutsche Flugangstzentrum rät den Eltern, vor Reiseantritt bei der Fluggesellschaft anzurufen. "Sie sollten sich schriftlich geben lassen, ob das Mitbringen eines Kindersitzes an Bord erlaubt ist", so Marc-Roman Trautmann, der Leiter des Zentrums. Auch nach den einzelnen Plätzen, auf denen die Sitze angebracht werden können, sollten sich die Reisenden erkundigen - sofern diese bereits vergeben sind, sollte ein anderer Flug gebucht werden. Lieber einmal mehr nachfragen, rät Trautmann: In den Callcentern fehlten zum Teil die Kenntnisse über die genauen Bestimmungen.

Unter der Hand heißt es bei den Experten, alles sei besser als der "loop belt". Der habe höchstens Vorteile für den Erwachsenen, wie Studien gezeigt hätten: Das Kind vor dem Bauch diene im Falle eines Unglücks als "Knautschzone" und erhöhe so die Überlebenschancen des Elternteils. Weshalb dieses System nun zur Pflicht wird, kann man sich auch beim Luftfahrtbundesamt nur so erklären: "Deutschland musste das EU-Recht eins zu eins umsetzen."