Hamburg. In Deutschland passieren die meisten Verkehrsunfälle in der Stadt. Die spektakulärsten Crashs spielen sich - im TV fast allabendlich zu sehen - auf den Autobahnen ab. Was viele Autofahrer aber nicht wissen: Die schwersten Unfälle registriert die Polizei hierzulande auf Landstraßen. Von den 6977 Verkehrstoten des Jahres 2001 wurden 4481 auf Landstraßen gezählt, obwohl auf diese Straßen nur 40 Prozent des Verkehrs entfällt. Das Risiko, dort bei einem Unfall getötet zu werden, ist doppelt so hoch wie innerorts und fünf Mal so hoch wie auf der Autobahn. Mit dem Fahrverhalten auf Landstraßen befasst sich die jüngste Uniroyal-Verkehrsuntersuchung.

Die Landstraßen - unter dem Begriff sind Bundes-, Landes- und Kreisstraßen zusammengefasst - haben bei Autofahrern einen zwiespältigen Ruf. Einerseits sind sie als touristisch reizvolle Alternativen zu den Autobahnen sehr beliebt. Andererseits werden sie wegen des erhöhten Unfallrisikos gefürchtet. Danach betrachten die 2500 in der Studie befragten Fahrer die Landstraße vor allem als Erlebnisraum. Bei Fahrern unter 20 Jahren kommt der Reiz der Geschwindigkeit dazu. Denn während zwei Drittel der Älteren auf Landstraßen eher gemütlich unterwegs sind, bewegen sich mehr als die Hälfte der Jüngeren mit ihrem Tempo am oder über dem vorgeschriebenen Limit. Quer durch alle Altersklassen räumen 18 Prozent der Fahrer Tempoverstöße von 20 km/h ein. Etwa sieben Prozent fahren sogar noch deutlich schneller.

Die Gefahren sind den Autofahrern aber bewusst: So werden Glätte, Nebel und insbesondere Wildwechsel der Studie zufolge durchweg als unangenehm empfunden. Zu Recht, wenn man bedenkt, dass bundesweit jährlich allein rund 220 000 Rehe überfahren werden. Zudem fürchten sich 50 Prozent der Befragten vor scharfen Kurven, 42 Prozent kritisieren enge Straßen. Lastwagen und Traktoren zu überholen oder ihnen folgen zu müssen, gilt für 54 Prozent als Belastung.

Besonderen Stellenwert haben in dieser Diskussion die Alleen, die es vor allem in Ostdeutschland gibt. Sie werden gleichermaßen als reizvoll und riskant empfunden. Eine vorsichtige Fahrweise ist geboten, denn laut Deutscher Verkehrswacht hilft selbst die Sicherheitsausstattung moderner Pkw bei einem Aufprall mit 60 km/h gegen ein stehendes Hindernis wie einen Baum nur wenig. Mehr als 8500 Tote und fast 60 000 Schwerverletzte hat es in den vergangenen fünf Jahren allein bei Baumunfällen gegeben.

Um mehr Verkehrssicherheit zu erreichen, fordern die Autoren der Uniroyal-Studie, Dr. Dieter Ellinghaus und Dr. Jürgen Steinbrecher, eine bessere Planung der Straßenführung (etwa dreispuriger Ausbau bei langen Steigungen oder bei Gefälle) sowie den vermehrten Einsatz von Leitplanken und -pfosten. Tempolimitis und Überholverbote "müssen sinnhaft sein, dann werden sie von den Autofahrern eher akzeptiert".

Ob die Unfallbilanz auf Landstraßen künftig positiver ausfällt, darf aber bezweifelt werden. ADAC-Verkehrsingenieur Thomas Hessling etwa prophezeit eine Zunahme des Lkw-Verkehrs spätestens dann, wenn das neue Maut-System auf deutschen Autobahnen endlich funktioniert. Aus Kostengründen werden dann nämlich viele Brummifahrer auf die Landstraße ausweichen.