Abzocke der Autofahrer: Eine Untersuchung des Bundeskartellamts deckt die marktbeherrschende Stellung von fünf Mineralölkonzernen auf.

Hamburg. Für die deutschen Autofahrer ist es ein stetes Ärgernis: Kaum beginnen die Ferien oder Feiertage, steigen an den deutschen Zapfsäulen in seltsamem Gleichschritt die Benzinpreise. Ist die Hauptreisewelle wieder vorbei, sinken die Preise meist ebenso schnell wieder.

Das Bundeskartellamt hat dieses Gebaren der großen Mineralölkonzerne nun detailliert unter die Lupe genommen. Die Tester betrachteten für die sogenannte Sektoruntersuchung die Preisbewegungen an jeweils 100 Tankstellen in Hamburg, Köln, Leipzig und München zwischen Januar 2007 und Juni 2010. Offiziell präsentiert wird die Untersuchung am kommenden Donnerstag, doch schon jetzt sickerten wichtige Ergebnisse durch.

"Wir haben es auf dem deutschen Tankstellenmarkt mit einem Oligopol von einigen wenigen marktbeherrschenden Unternehmen zu tun", sagte Kartellamtssprecher Kay Weidner dem Abendblatt und bestätigte damit entsprechende Berichte von "Bild am Sonntag" und des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Dadurch lägen die Preise an den Zapfsäulen höher als bei einem funktionierenden Wettbewerb. Das Kartellamt spricht von "Marktstrukturen zum Nachteil des Verbrauchers".

Konkret teilen sich die Mineralölkonzerne Aral/BP (23,5 Marktanteil), Shell (22 Prozent), Jet (10 Prozent), Esso und Total (jeweils 7,5 Prozent) das Tankstellengeschäft untereinander auf. Als "Initiatoren von Preissetzungsrunden" treten der Untersuchung zufolge fast immer die beiden Marktführer in Erscheinung. Erhöhe Konzern 1 die Preise, ziehe Konzern 2 innerhalb nur weniger Stunden bundesweit nach, oder umgekehrt. Und dann kletterten die Preise auch bei den übrigen drei Mitgliedern des Oligopols. Bei Preissenkungen laufe es genauso, nur langsamer.

Nach Erkenntnissen der Behörde unterhalten alle großen Mineralölkonzerne ein weit verzweigtes Beobachtungs- und Meldesystem, um über die Preisentwicklung bei den jeweils anderen Unternehmen auf dem Laufenden zu sein. Geheimabsprachen im Hinterzimmer würden so überflüssig.

Daher dürften die Folgen, die durch die umfangreiche Untersuchung des Kartellamts auf die Konzerne zukommen, auch gering sein. Preise abzugucken ist laut Kartellrecht nämlich erlaubt, nur die direkte Absprache ist es nicht. "Wir haben uns nicht mit dem Verdacht verbotener Preisabsprachen befasst, sondern nur mit einer generellen Untersuchung der Marktstrukturen", stellte Kartellamtssprecher Weidner klar. "Da muss man schauen, was man machen kann und ob man etwas machen kann."

Zumindest will das Kartellamt eine weitere Zusammenballung von Macht auf dem deutschen Mineralölmarkt verhindern. "Wir haben in der Vergangenheit schon Fusionen in diesem Bereich nur in sehr begrenztem Maße zugelassen oder gar untersagt, das heißt also, eine weitere Konzentration dieses Oligopols aufgehalten", erklärte Weidner. "Diese Linie werden wir konsequent auch in der Zukunft weiter fortführen."

Der ADAC reagierte enttäuscht, aber nicht überrascht auf das Ergebnis der Untersuchung. "Wir wissen schon seit Langem, dass die Autofahrer von den Mineralölkonzernen an den Tankstellen abgezockt werden, indem die Unternehmen kurz vor den Ferien die Preise erhöhen", sagte der Sprecher des Automobilclubs, Dieter Wirsich, dem Abendblatt. "Nur kartellrechtlich zu belangen sind sie offenbar nicht."

Der Verband forderte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auf, über verstärkte Kontrollen nachzudenken. Hilfreich könnte unter anderem ein Blick über die Grenzen sein: In Österreich dürfen die Preise an den Tankstellen höchstens einmal pro Tag verändert werden. Und in Australien müssen Preiserhöhungen einen Tag vorher angekündigt werden.

Auch der Auto Club Europa (ACE) warf der Bundesregierung vor, nicht energisch genug gegen die hohen Benzinpreise vorzugehen. "Mächtige Konzerne unterlaufen im Gleichschritt den Wettbewerb und benachteiligen damit die Verbraucher", sagte der ACE-Vorsitzende Wolfgang Rose. Zahlreiche Politiker hätten angesichts der hohen Benzinpreise in den vergangenen Monaten "den Mund ziemlich voll genommen". Jetzt gehe es darum, dass die Regierung zugunsten der Autofahrer tatsächlich für mehr Wettbewerb sorge.