Berlin. In sozialen Medien berichten amerikanische Frauen durch die Abnehm-Spritze ungeplant schwanger geworden zu sein. Was dahinter steckt.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich von Ozempic schwanger geworden bin“, erzählt eine junge Frau auf Tiktok. Jahrelang habe sie Probleme gehabt, schwanger zu werden, doch nach der Anwendung des Medikaments, habe es unerwartet geklappt. Sie ist nicht die Einzige, die diese Erfahrung gemacht hat. Auf der Video-Plattform berichten aktuell immer mehr Frauen, vor allem aus den USA, davon, dass sie nach der Abnehmspritze „Ozempic“ schwanger geworden seien. Sie erzählen entweder, dass sie vorher lange Zeit mit Unfruchtbarkeit gekämpft hätten oder aber, dass es trotz der Einnahme der Anti-Baby-Pille zur Schwangerschaft gekommen sei. Das Phänomen hat in den USA mittlerweile sogar einen eigenen Namen: „Ozempic-Babies“.

Sowohl in den USA und als auch in der EU ist „Ozempic“ eigentlich nur zur Behandlung von Menschen mit Diabetes Typ 2 zugelassen und verschreibungspflichtig. Dennoch wird es immer wieder im sogenannten „Off-Label-Use“ an Menschen verschrieben, die Übergewicht oder Adipositas haben. Denn der in „Ozempic“ enthaltene Wirkstoff Semaglutin kann dabei helfen, Gewicht zu verlieren. In den USA hatte das Medikament damit einen Hype ausgelöst. Mit „Wegovy“ gibt es mittlerweile ein Arzneimittel mit demselben Wirkstoff, das explizit auch für Menschen mit Adipositas zugelassen ist. In Deutschland können Ärztinnen und Ärzte es seit Juli vergangenen Jahres verschreiben.

Abnehm-Spritze: Bisher keine wissenschaftlichen Daten zu ungeplanten Schwangerschaften

Semaglutid imitiert das Darm-Hormon Glucagon-like Peptide 1, kurz GLP-1, das die Produktion von Insulin im Körper steigert und das Sättigungsgefühl erhöht, also den Hunger unterdrückt. Zudem verlangsamt es die Entleerung des Magens. Neben „Wegovy“ und „Ozempic“ gibt es noch weitere Arzneimittel mit demselben Wirkmechanismus – etwa die Abnehm-Spritze „Mounjaro“, die mittlerweile ebenfalls in Deutschland zugelassen ist. Sie setzt auf den Stoff Tirzepatid, der ähnlich wirkt wie Semaglutid. Auch bei „Mounjaro“ gibt es mittlerweile Berichte über ungeplante Schwangerschaften. Doch kann die Abnehmspritze tatsächlich dafür verantwortlich sein?

Wissenschaftlich bewiesen ist ein Zusammenhang zwischen der Abnehmspritze und ungeplanten Schwangerschaften bisher nicht. Bei den Berichten handelt es sich um anekdotische Einzelfälle. Dass „Ozempic“ oder ähnliche Medikamente die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöhen könnten, ist allerdings nicht ausgeschlossen. Zwei mögliche Ursachen kommen dafür infrage.

Zum einen kann sich eine Gewichtsabnahme grundsätzlich positiv auf die Fruchtbarkeit auswirken. „Unsere Fettzellen produzieren Östrogen, und Östrogen kann sich negativ auf unsere Eierstöcke auswirken, indem es zu einem verminderten Eisprung oder zu einer Störung des Eisprungs führt. Es kann auch negative Auswirkungen auf unsere Gebärmutterschleimhaut haben“, erklärte die Gynäkologin Iman Saleh der amerikanischen Zeitschrift „People“. Schon eine Gewichtsreduzierung von wenigen Kilogramm könnte dazu führen, dass der Eisprung wieder einsetze.

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„Wegovy“-Hersteller will Auswirkungen auf Schwangerschaften prüfen

Zum anderen könnte auch ein Zusammenhang zwischen Abnehmspritzen und einer verminderten Wirkung der Anti-Baby-Pille bestehen. Da das Arzneimittel die Entleerung des Magens verlangsamt, könnte damit auch die Aufnahme von oralen Medikamenten, also etwa der Pille, beeinflusst werden. „Semaglutid verzögert die Magenentleerung und beeinflusst möglicherweise die Resorptionsrate gleichzeitig oral angewendeter Arzneimittel“, schreibt etwa die Deutsche Apotheker Zeitung über den in den Spritzen enthaltenen Wirkstoff. Hierbei handelt es sich bisher allerdings nur um eine Theorie, die noch nicht ausreichend erforscht wurde. Im Beipackzettel von „Wegovy“ heißt es dazu, eine verminderte Wirkung oraler Kontrazeptiva durch Semaglutid werde nicht erwartet.

Der Hersteller von „Ozempic“ und „Wegovy“, Novo Nordisk, kündigte laut „Washington Post“ an, Daten zu sammeln, um die Sicherheit von Schwangerschaften während der Anwendung von „Wegovy“ zu untersuchen. Bisher raten Expertinnen und Experten davon ab, Abnehmspritzen während einer Schwangerschaft zu verwenden, da mögliche Nebenwirkungen noch nicht ausreichend getestet sind. Es seien noch nicht ausreichend Daten verfügbar, um eindeutig sagen zu können, ob das Medikament einen Einfluss auf den Fötus haben könnte. Tierversuche hätten bisher gezeigt, dass es ein „potenzielle Risiken für den Fötus durch die Exposition gegenüber Semaglutid während der Schwangerschaft geben könnte“, hieß es von Novo Nordisk. Der Hersteller rät dazu, Arzneimittel mit Semaglutid mindestens zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abzusetzen.