Düsseldorf. Krankheiten und Verletzungen können das Schutzgewebe des Auges trüben. Die Zahl der Hornhaut-Transplantationen ist enorm gestiegen.

Transparent muss sie sein und so durchlässig für einfallendes Licht, dass die Netzhaut ein möglichst scharfes Bild ans Gehirn weitergeben kann. Die Rede ist von der Hornhaut in unserem Auge. „Ich vergleiche sie oft mit einer Windschutzscheibe. Es ist ein besonderes Gewebe in unserem Körper, eines von wenigen ganz ohne Gefäße“, erklärt Claus Cursiefen, Direktor des Zentrums für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Köln. Er ist einer der renommiertesten Experten für Hornhauttransplantationen in Deutschland.

Die Zahl dieser Eingriffe steigt Jahr für Jahr. Nach Angaben der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) haben sich die Zahlen in den Jahren 2002 bis 2016 verdoppelt. Die letzten Zahlen im Register der DOG sind allerdings – vor allem durch die Pandemie – verändert, sie liegen 2018 und 2019 bei rund 9200, 2020 bei 8912.

Claus Cursiefen erläutert: „1981, als das Register ins Leben gerufen wurde, haben wir noch 789 Operationen gemacht. Also hat sich die Zahl in den letzten 40 Jahren in Deutschland ungefähr verzehnfacht.“ Es gibt 26 Hornhautbanken, die in der Sektion Gewebetransplantation der DOG organisiert sind.

Meist muss nur noch ein winziger Teil des Gewebes ersetzt werden

Die Ursachen für eine solche Transplantation dafür sind vielschichtig: „Zum einen werden die Menschen älter und sind dann von Hornhaut-Erkrankungen oder -Veränderungen betroffen“, sagt Cursiefen. Andererseits habe sich die Operationstechnik so verbessert, „dass wir auch Jüngeren einen Eingriff anbieten können und nicht warten müssen, bis sie kaum noch sehen können.“ Das gelte etwa für einen 40-Jährigen, der beruflich viel Auto fahre und sich als Folge von Hornhautschäden zu stark geblendet fühle. „Mit einem Transplantat bekommt er die Möglichkeit, weiterzuarbeiten“, so Cursiefen, der inzwischen auch Kinder operiert.

Die Transplantate, die der Experte mit seinem Team den Patientinnen und Patienten während einer kurzen Betäubungszeit von meist weniger als einer Stunde überträgt, bestehen nur noch in seltenen Fällen aus einer ganzen Hornhaut. So war es 1905 bei der ersten erfolgreichen Keratoplastik, wie Fachleute diesen Eingriff nennen. Entscheidend dabei ist: Meist muss nur noch ein winziger Teil des Gewebes im Auge ersetzt werden – nämlich der, der zum Beispiel erkrankt oder durch einen Splitter verletzt ist.

Vor allem ältere Menschen sind betroffen

„Vor allem ältere Menschen leiden an der sogenannten Fuchs-Dystrophie. Eine Krankheit, die genetisch bedingt ist und in der Regel ab einem Alter von Mitte 50 auftritt. Dabei versagen die punktförmigen Zellen, die das Wasser von der Hornhaut abpumpen, nach und nach ihren Dienst. Dadurch lagert sich Augenwasser in der Hornhaut ab, sie wird matt und die Sehfähigkeit verschlechtert sich immer weiter“, erläutert Cursiefen einen häufigen Grund für eine Transplantation. Diese kann aber auch durch eine Herpesinfektion, die nicht heilen will, oder durch eine starke Verformung notwendig werden.

Transplantation wird mit Cortison behandelt

Das hilfreiche Stückchen, das der Patient erhält, misst bei aktuellen Eingriffen meist nur fünf bis sieben tausendstel Millimeter. „Das bedeutet, dass der Körper es kaum als fremd erkennt und es ganz wenige bis gar keine Abstoßungsreaktionen gibt“, sagt Cursiefen. Im Gegensatz zu einer ganzen Hornhaut, die eingenäht werden muss, wird das Mini-Gewebestück mit einer winzigen Gasblase innerhalb des Auges angedrückt und wächst dann an der verbliebenen Resthornhaut an. So müssen später keine Fäden gezogen werden. Auch die Nachkontrolle der Operation wird einfacher.

„Inzwischen rate ich vielen Patienten zur Transplantation – sie sind anschließend glücklich, weil sie nach nur wenigen Tagen bis Wochen wieder wie vorher sehen und sich besser selbstständig bewegen können. Früher hat es ein halbes Jahr gedauert, um ein solches Ergebnis zu erreichen“, sagt Andrea Lietz-Partzsch. Die niedergelassene Augenärztin in Berlin muss bei der Nachsorge vor allem darauf achten, dass die Patienten regelmäßig Cortison ins Auge tropfen. Aber auch das ist oft nach ein bis zwei Jahren nicht mehr notwendig.

Nur in wenigen Fällen muss Operateur Cursiefen Risikopatienten Immunsuppressiva verschreiben – Medikamente also, die verhindern, dass der Körper das Transplantat abstößt: „Das kann vorkommen, wenn jemand seine Hornhaut verätzt hatte“, sagt der Spezialist. In den letzten 15 Jahren hat er Tausende von Hornhautteilchen verpflanzt und geht davon aus, dass diese mindestens 20 bis 30 Jahre lang für klare Sicht sorgen. „Dann können wir auch austauschen, zum Beispiel bei Kindern.“

„Die Hornhaut kann bis zu 72 Stunden nach dem Tod entnommen werden“

Die Freude über die Erfolg versprechende Entwicklung wird gedämpft durch die Tatsache, dass es zu wenige Hornhaut-Spender gibt. „Dabei kommt im Grunde jeder dafür infrage, auch das Alter ist kein Ausschlusskriterium. Und: Die Hornhaut kann bis zu 72 Stunden nach dem Tod entnommen werden“, sagt Cursiefen.

Liegt die Zustimmung zur Gewebespende vor, wird die entnommene Hornhaut in einer von 26 Hornhautbanken, die es in ganz Deutschland gibt, genau überprüft: Sie darf keine Narben haben, eine Infektion oder ein möglicher Tumor müssen ausgeschlossen werden. In einer Kulturschale wird über rund vier Wochen beobachtet, ob das Gewebe keimfrei bleibt. Erst nach dieser Kontrolle überträgt sie der Operateur an denjenigen, zu dem die Hornhaut auch im Hinblick auf Alter und Geschlecht passen sollte.

Studie zur Verwendung transparenter Fischschuppen

„Nur bei wenigen Hochrisikopatienten müssen wir darauf achten, dass auch die Blutgruppe die gleiche ist“, sagt Cursiefen. In seiner Klinik bleiben die wenigsten Patienten länger als fünf Tage, bevor sie wieder nach Hause und zu behandelnden Medizinern wie Andrea Lietz-Partzsch zurückkehren. Die erfahrene Augenärztin hofft, dass die Zukunft weitere Erleichterungen für Menschen mit Hornhautschäden bringt: „Britische Forscher haben in ersten Versuchen bereits eine menschliche Hornhaut mithilfe eines 3D-Druckers anfertigen können“, sagt sie. Dafür hätten sie eine Art Bio-Masse mit menschlichen Stammzellen verwendet. „Wer weiß, vielleicht können wir so nach einigen Jahren intensiver Forschung unsere eigenen, passenden Hornhaut-Ersatzteile herstellen?“

Claus Cursiefen sieht weitere Möglichkeiten, dem Mangel an Gewebespenden zu begegnen: Er erklärt: „Wir könne jetzt bereits vielfach eine Hornhaut für zwei Patienten nutzen, indem man den vorderen Teil für den einen und den hinteren für einen anderen Patienten nimmt.“ Zudem veröffentliche das Forscherteam der Uniklinik Köln demnächst eine erste Studie, die sich mit der Verwendung von transparenten Fischschuppen als Hornhautersatz befasse.