Berlin. Fremdgehen gilt als Rezept gegen Langeweile in der Ehe. Doch die Motive sind unterschiedlich: Sie will meist Sex, er will Anerkennung.

  • In der Corona-Pandemie ist die Lust aufs Fremdgehen deutlich gestiegen
  • Das Gegenmittel, zu dem viele greifen: Fremdgehen
  • Doch was sind die Gründe für eine Affäre? Eine Umfrage zur Häufigkeit sorgt derweil für Überraschungen

Es ist das perfekte Leben: Da sind die Kinder, der Hund. Endlich im eigenen Haus. Und der Garten lädt ein zu romantischen Stunden. Nur dass die nicht mehr stattfinden. Denn vielen Paaren, die es geschafft haben, sich ein gemeinsames Leben aufzubauen, fehlt plötzlich der Kick. Gegen die große Langeweile in der Beziehung gilt der Klassiker immer noch als bestes Rezept, sagen Paartherapeuten: Fremdgehen.

In der Pandemie hat die Lust auf Affären deutlich zugenommen. Eine Studie von Ashley Madison, dem Datingportal für Verheiratete, kommt zu folgendem Ergebnis: ManagerInnen stehen weit oben auf der Liste. Krankenschwestern und Ingenieure folgen. Die Motive von Frauen und Männern seien überraschend, sagt Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning („Sex verändert alles“).

Affären: Frauen wollen Sex

Was Frauen und Männer in einer Affäre suchen, sei komplett anders, als es das Klischee vorgibt: Frauen suchen Sex, Männer Anerkennung, so die Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning. Bisher sei die Vorstellung komplett anders gewesen. „Ich finde es hoch interessant, dass wieder mal die Frauen als die ‚besonders Affären-Interessierten‘ hervortreten. Es tut sich offenbar etwas in unserer Gesellschaft bezüglich muffigen Geschlechterrollen-Klischees“, sagt Henning, die in Hamburg Neuropsychologie und in Dänemark Sexologie studiert hat.

Frauen würden sich heute viel eher das nehmen, was sie wollen - Sex, der ihnen in der Partnerschaft nicht mehr oder nicht mehr genug geboten werde. Diese Frauen seien in der Partnerschaft oft frustriert. Und zeigten das auch. „Und das wieder nervt den Mann.“ Denn der Mann wolle volle Bewunderung, und wenn es die schon nicht, dann aber zumindest Bestätigung, was den Job oder anderes angeht. „Die muss er sich woanders suchen, weil er die von seiner Frau eben nicht mehr bekommt.“

Affären und das schlechte Gewissen

Doch auch, wenn Frauen sich nehmen, was sie wollen. Eins ist geblieben: die Skrupel. In ihrer Praxis müsse sie manche Frau bestärken, obwohl die sich zuhause schon durchaus stark gemacht und das heikle Thema offen auf den Tisch gepackt hat. Obwohl der Mann ihr schon sein Okay gegeben hat. So etwa in der Art: Mach, was Du willst, aber bring ihn nicht mit nach Hause. Eigentlich sei alles geklärt. Aber Frauen und das schlechte Gewissen sei eine häufige Kombination. „Da muss ich dann die Schuldgefühle nehmen“, sagt Henning.

Corona: Die Lust auf Affären ist gestiegen

Laut Umfrage gehört Fremdgehen zum Leben dazu wie Spaziergengehen, Urlaub oder andere Routinen des Lebens. Es käme in allen Bereichen vor, in allen Berufen, in der Stadt wie auf dem Land, sagt Christoph Krämer, Sprecher der Seitensprung-Agentur Ashley Madison. Gerade in der Corona-Zeit sei das Bedürfnis nach einer Affäre gestiegen. Im Jahr 2020 habe die Plattform für Verheiratete 17.000 Neukunden registriert. Sonst sind es jährlich etwa 15.000 Interessierte.

Es sei übrigens keineswegs so, dass nur die Paare eine Affäre anstreben, die unglücklich in ihrer Partnerschaft sind, so Krämer. Oft sogar sei das Gegenteil der Fall. Man führe eine durchaus harmonische Beziehung, auf die man auch nicht verzichten möchte. Aber ein Partner könne eben nicht alle Wünsche abdecken. Eine Frau könne doch nicht tolle Köchin, tolle Mutter, tolle Gärtnerin, tolle Gastgeberin, tolle Urlaubsorganisatorin – und auch noch eine tolle Liebhaberin sein. Und ein Mann auch nicht.

Paare reden offen über ihre Wünsche

Da stimmt die Sexualtherapeutin zu: Der Mensch heute erkennt und liebt die Vielfalt. Und es gebe einfach so viele Möglichkeiten, sich in seinen Facetten auszuleben. Eins habe der Mensch gelernt: Er kann Rollen auch ausgliedern. Zum Beispiel die Rolle des Liebhabers oder der Liebhaberin. Und das werde nicht irgendwie verstohlen gemacht. Im Gegenteil. Die Scham sei vorbei, sagt Henning. Paare hätten heute eine gute Kommunikationsebene. Da würde eben auch viel über Gefühle geredet.

„Viele informieren ihre Partner tatsächlich über ihre Affäre und sind erstaunt, dass es gar nicht so oft zum großen Krach kommt.“ Allerdings sei es wichtig, wie man es sagt, damit der andere nicht gleich den Racheakt plant. Wichtig sei, „dass der Respekt, dem man seinem Partner entgegenbringt, auch rüberkommt“. Damit das Gespräch nicht eskaliert, sei es gleichzeitig geboten, dem Partner zu zeigen, „dass man trotz allem sehr gerne mit ihm oder ihr zusammen ist“.

Klingt für manchen nach schöner Theorie. Doch zumindest liefert die Praxis keine extremen Gegenbeispiele, so Henning. Dass es wegen einer Affäre zum Beziehungs-Aus kommt, sei nämlich höchst selten. In 90 Prozent der Fälle wollten die Frauen und Männer sich nicht trennen, sondern einfach nicht auf das verzichten, was sie bei dem Partner finden.

Ein Mann für den Alltag, einen fürs Bett

Und was ist mit dem Thema Eifersucht, das in Krimis zu Mord und Totschlag führt? „Je stärker der Mensch von früh an erfahren hat, dass nicht ein einziger Mensch alles für ihn ist, dass sich Liebe und Zuwendung aufteilen lässt, desto stärker ist er bereit zu akzeptieren, dass seine Partnerin oder sein Partner bestimmte Dinge bei jemandem anderen sucht“, sagt die Sexualtherapeutin.

Paare heute seien vielfach sehr tolerant. Weil jeder der Partner selbst eine gewisse Freiheit schätzt. „Es gibt heute oft einen sehr offenen Umgangston miteinander“, sagt Henning. Und daraus resultierten oft pragmatische Lösungen. „Viele Paare verständigen sich auf ein Modell, das zu ihnen passt. Gemeinsam essen, gemeinsam in den Urlaub fahren – aber der Sex findet eben woanders an. Von einer Verbotsmoral ist man zu einer Verhandlungsmoral gekommen.“

Wechseljahre: So lässt sich die Lust wieder steigern

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    Studie: Frauen haben zeitgleich mehr Affären als Männer

    Die Studie von Ashley Madison, Marktführer für Dating für Verheiratete mit mehr als 70 Millionen Mitgliedern weltweit, kommt nach der Befragung von 2100 Paaren, die im Schnitt 17 Jahre verheiratet sind, zu folgendem Ergebnis: Eine besonders aktive Rolle hat die Frau. Frauen sind es, die häufiger als Männer, sogar mehrere Affären gleichzeitig haben. Die weiblichen Befragten fahren mit 1,5 Affären im Schnitt deutlich lieber zweigleisig als Männer, die nur auf 1,1 Affären zur gleichen Zeit kommen.

    Während Männern im Schnitt nach knapp zwölf Monaten der Atem für eine Affäre ausgeht, halten Frauen mit statistisch 17 Monaten länger durch. Bei One-Night-Stands allerdings liegen die Männer vorne: 21 Prozent der Männer gaben an, dass ihre Affären durchschnittlich nur eine Nacht dauern – bei den Frauen sagen das nur elf Prozent. Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning wundert das nicht: „Wenn eine Frau einmal einen guten Liebhaber gefunden hat, lässt sie ihn nicht gerne gehen, sondern vertieft lieber die Bekanntschaft und den Sex.“

    ManagerInnen, Krankenschwestern und Ingenieure führen die Liste an

    Je höher auf der Karriereleiter, desto freier führen viele ihre Ehen oder Partnerschaften. Mit 13 Prozent war die am häufigsten genannte Berufsgruppe die der ManagerInnen, hinzu kommen noch einmal sieben Prozent CEOs, so die Madison-Studie. Bei den weiblichen Befragten arbeiten die meisten als Krankenschwester oder andere Pflegekraft (zehn Prozent), dicht gefolgt von Assistentinnen der Geschäftsführung (neun Prozent). Fünf Prozent gaben an, dass sie als Lehrerinnen tätig sind. Bei den Männern sind Ingenieure mit neun Prozent die zweithäufigste Berufsgruppe. Sechs Prozent der Befragten geben als CEO den Ton an.

    Ansonsten zeigt sich ein sehr ausgeglichenes Bild: Ob IT- oder Projekt-ManagerIin, AnwältIn, PolizistIn, ZahnärztIn oder Lkw-FahrerIn – der Drang zum außerehelichen Vergnügen zieht sich durch viele Berufe. Nicht wirklich überraschend, dass Extrovertierte besonders gut vertreten sind (59 Prozent). Für Erstaunen sorgte die Erkenntnis, dass bei Geschwistern gern das älteste Kind sich auch noch anderweitig umsieht. Während Einzelkinder sehr wenig Interesse an Seitensprüngen hätten.