Berlin. Studie belegt, dass sich weit mehr Menschen infizieren als gemeldet. Die Autoren empfehlen deshalb landesweite Antikörpertests.

  • Sind die Corona-Zahlen eigentlich viel höher?
  • Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München halten die offiziellen Corona-Fallzahlen für zu gering
  • Vor allem bei Kindern und Jugendlichen könnten die Werte deutlich höher liegen als gedacht
  • Die Forscher fordern deshalb weitere Studien

Eine aktuelle Untersuchung des Helmholtz Zentrums München kommt zu dem Ergebnis, dass sechsmal mehr Kinder und Jugendliche in Bayern mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert waren als gemeldet.

Zwischen Januar 2020 und Juli 2020 untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Anette-G. Ziegler knapp 12.000 Blutproben von Kindern und Jugendlichen in Bayern im Alter zwischen einem und 18 Jahren auf SARS-CoV-2-Antikörper. Dabei wiesen zwischen April und Juli durchschnittlich 0,87 Prozent der Getesteten Antikörper auf.

Verglichen mit den im gleichen Zeitraum vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung (LGL) gemeldeten Fällen infizierter Kinder und Jugendlicher, war die Antikörperhäufigkeit damit sechsmal höher. Lesen Sie hier: Wie Antikörper Hirn und Nerven schädigen können

Studie: Übertragungsrate von SARS_CoV-2 deutlich höher als bislang angenommen

Rund die Hälfte der Betroffenen – 47 Prozent – waren demnach asymptomatisch, zeigten trotz Infektion also keinerlei Beschwerden. Etwa ein Drittel – 35 Prozent – derer, die mit einem auf das Virus positiv getestetem Familienmitglied zusammenlebten, wiesen Antikörper auf. Nach Angaben der Forscherinnen und Forscher weist das auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben.

Darüber hinaus ließen sich anhand der Ergebnisse innerhalb des Bundeslandes deutliche, sogenannte „Hot-Spots“ erkennen. Am meisten positive Antikörpertests gab es demnach im Süden Bayerns.

Corona: Neuer Antikörpertest liefert besonders zuverlässige Ergebnisse

Untersucht wurden die Kinder mit einem speziell von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums entwickelten Test zur Messung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2. Lesen Sie hier : DM verkauft Antikörper-Tests

Dieser zeichne sich dadurch aus, dass das Testergebnis erst dann als Antikörper-positiv gilt, wenn er gegen die Rezeptor-Bindungsdomäne als auch gegen Nukleokapsid-Proteine des Virus positiv anschlug. Dieser zweistufige und zweifach-positive Ansatz führe zu besonders genauen Ergebnissen mit einer Spezifität von 100 Prozent und einer Sensitivität von mehr als 95 Prozent.

Die Spezifität eines Tests gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden. Die Sensitivität wiederum beschreibt, zu welchem Prozentsatz erkrankter Patienten die jeweilige Krankheit tatsächlich erkannt wird.

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    Forscherinnen und Forscher empfehlen bevölkerungsweite Antikörper-Screenings

    Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden derzeitige Antikörpertests eine mangelnde Spezifität aufweisen, was zu einem großen Anteil falsch-positiver Ergebnisse führt. Menschen würden also positiv auf das neuartige Coronavirus getestet, obwohl sie gar nicht infiziert sind.

    „Da viele Personen, bei Kindern knapp die Hälfte, keine COVID-19-typischen Symptome entwickeln, werden sie nicht getestet. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reicht es also nicht aus, nur auf das Virus selbst zu testen,“ wird Markus Hippich, Erstautor der Studie, in einer Mitteilung zitiert.

    Die Forscherinnen und Forscher empfehlen stattdessen, bevölkerungsweite Antikörper-Screenings zur Überwachung des Pandemieverlaufs durchzuführen.