Berlin. Gluthitze hat weite Teile der Erde erfasst. Forscher haben für das Phänomen des „Super-Hochs“ eine Erklärung: Stau auf Wind-Autobahnen.

Die Erde, sie glüht. Die Weltkarte der maximalen Tagestemperaturen vom gestrigen Mittwoch zeigt weite Teile der Erdkugel in Rot getaucht. Die Satelliten der Wetter- und Ozeanographie-Behörde der Vereinigten Staaten (NOAA) haben die Daten zusammengetragen, und sie visualisieren eine Welt, die von Hitzewellen heimgesucht wird.

In vielen Ländern purzeln Temperaturrekorde. In den vergangenen 30 Tagen hat die NOAA eigenen Angaben zufolge weltweit gut 7000 neue Spitzenwerte registriert. Nun brennen Wälder – so weit nördlich und so intensiv, wie es bislang noch nicht beobachtet wurde.

Was ist das? Ist es der Fingerabdruck des Klimawandels, nur der Vorgeschmack auf das, was kommt? Die aktuelle Hitzewelle passt unangenehm gut ins Bild, sagen Klimaforscher.

In 30 Jahren ein ganz normaler Sommer?

Dieser Sommer der Extreme könnte tatsächlich zum Jahrhundertereignis werden, glauben Meteorologen. Nimmt man die Hitzewellen dieser Tage als Einzelereignisse, taugen sie nicht als Beweis für die Folgen der globalen Erwärmung. Reihen Forscher aber die Wetterextreme ein, werden Temperaturen oder Niederschlagsmengen von Jahrzehnten in Verbindung gesetzt, dann wird nach Ansicht von Klimaforschern sichtbar, was dem Fingerabdruck des Klimawandels gleicht: „Die Anzahl von Hitzerekorden nimmt global massiv zu“, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Monatliche Rekorde gebe es bereits fünfmal so oft wie in einem stabilen Klima. Er sieht die Projektionen von Klimaforschern bestätigt: „Das entspricht genau dem, was man angesichts der bisherigen globalen Erwärmung um mehr als ein Grad erwartet.“ Was aktuell noch als ungewöhnlich warmer Sommer gelte, könne in 30 Jahren ein ganz normaler Durchschnittssommer sein.

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    Die Wetterextreme werden häufiger, sagen Wissenschaftler

    „In Deutschland hat die Temperatur seit der Industriellen Revolution im Durchschnitt um 1,4 Grad zugenommen“, sagt Rahmstorfs Kollege Fred Hattermann, Experte für Klimafolgen am PIK. Beide zählen zu den Forschern, die eine klare Verbindung zu Wetterex­tremen sehen. Durch die Erderwärmung seien häufigere und schlimmere Hitzewellen und Extremniederschläge physikalisch zu erwarten, eine signifikante Zunahme sei bereits erwiesen, argumentiert Rahmstorf. Hattermann ergänzt: „Wegen der höheren Grundtemperatur sind Hitzephasen noch extremer.“ Für ihn ist klar: „Wir befinden uns bereits mitten im Klimawandel.“

    Daten dazu, wie extrem das globale Wetter derzeit ist und wie massiv seine Folgen in diesen Tagen Menschen in aller Welt treffen, hat die Weltorganisation für Meteorologie zusammengetragen. Japan wird derzeit von den schwersten Überflutungen und Erdrutschen seit Jahrzehnten heimgesucht. In Tokio kletterten die Temperaturen Anfang der Woche auf 41,1 Grad – es ist der höchste jemals gemessene Wert.

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      Schnee in Teilen Neufundlands

      In Quriat, einer Kleinstadt im Sultanat Oman am Indischen Ozean, wurde am 28. Juni über 24 Stunden eine Minimaltemperatur von 42,6 Grad gemessen. Das bedeutet: Selbst in den kühleren Nachtstunden fiel die Temperatur nicht unter diese Marke.

      In Ouargla in der Sahara notierten Meteorologen am 5. Juli die Temperatur von 51 Grad, vermutlich war es der höchste Wert, der in Algerien je gemessen wurde. Drei Tage später registrierte die Messstation Furnace Creek im ­Death-Valley-Nationalpark in Kalifornien den Wert von 52 Grad. Es ist die Station, an der 1913 mit 56,7 Grad die höchste jemals gemessene Temperatur auf der Erde ermittelt wurde. In der kanadischen Provinz Quebec wurden vor wenigen Tagen Dutzende Todesfälle der Hitzewelle zugeschrieben. Gleichzeitig kehrte im Osten des Landes der Winter zurück: mit Schnee in Teilen Neufundlands und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt in Halifax.

      In Europa trocknet die Hitze die Böden mehr und mehr aus, in Schweden und Griechenland sowie in Lettland stehen Wälder in Flammen. In Sibirien gab der Hydrometeorologische Dienst Russlands angesichts Temperaturen von über 30 Grad eine Hitzewarnung heraus. Und in der Region Krasnoyarsk liegen die Temperaturen sieben Grad über dem, was bislang als normal galt.

      Jetstreams sind entscheidend für unser Wetter

      Wie normal ist die Wetterlage in Deutschland? PIK-Forscher Hattermann verweist auf ein Hochdruckgebiet über Skandinavien, das beständig auf der Stelle stehe. Damit zieht er Parallelen zum Rekordsommer 2003, dessen Hitzewellen in Europa nach Schätzungen rund 70.000 Tote forderten, vorwiegend in Südosteuropa. Damals wie heute sehen Meteorologen als Grund für die Gluthitze ein ausgedehntes Gebiet mit anormal hohem Luftdruck, das sich über weiten Teilen Europas festgesetzt hat. Der anhaltend klare Himmel sorge dafür, dass die Sonneneinstrahlung die Erdoberfläche stark aufheize.

      Auch das Phänomen dieser „Super-Hochs“ bringen Wissenschaftler mit der globalen Erwärmung in Verbindung. Sie glauben, dass der Anstieg der Temperaturen zu einer fatalen Veränderung der Jetstreams führt, was wiederum das Auftreten von Hitzewellen und anderen extremen Wetterereignissen begünstigt. Jetstreams sind „Wind-Autobahnen“ hoch oben in der Atmosphäre und für das Wetter der Nordhalbkugel entscheidend. Steckten die Jetstreams fest, unterstütze dies das Entstehen von Wetterextremen.

      Die Forscher des Potsdam-Instituts sowie ein Team um US-Wissenschaftler Michael Mann sehen eine Verbindung zwischen den stockenden Luftmassen und der Erderwärmung. In ihrer Studie, die 2017 im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht wurde, kommen sie zu dem Schluss: Das Phänomen der feststeckenden Jetstreams hat seit Beginn des Industriezeitalters um fast 70 Prozent zugenommen. Anders gesagt: Seitdem der Mensch im großen Stil Kohlendioxid freisetzt, sind die Höhenwinde ungewöhnlich langsam. Es ist der Mensch, der an der Klimaschraube dreht.

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