Berlin. Drei Viertel aller Berufstätigen in Deutschland leiden unter Rückenschmerzen. Programme der Krankenkassen schlagen allerdings nicht an.

Das Kreuz der Deutschen schmerzt: Immer mehr Bundesbürger leiden unter Rückenproblemen. So haben drei Viertel aller Berufstätigen im letzten Jahr unter solchen Schmerzen gelitten. Das ist das Ergebnis des Gesundheitsreports der Krankenkasse DAK, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. 2003 war nur rund die Hälfte der Befragten betroffen.

Auch gehen immer mehr Menschen mit Rückenschmerzen in ein Krankenhaus: 2016 wurde mit 220.000 Fällen ein neuer Höchststand verzeichnet – ein Anstieg von 80 Prozent in den vergangenen neun Jahren. Für den Bericht hatte die Kasse Daten von 2,5 Millionen Versicherten ausgewertet. Antworten auf die wichtigen Fragen:

Wem schmerzt wo der Rücken?

Laut dem DAK-Gesundheitsreport plagen immer mehr Menschen Probleme an der Wirbelsäule: Die Krankschreibungen aufgrund von Rückenschmerzen sind seit Jahren auf einem hohen Niveau. Nach Infektionen der Atemwege sind sie die zweithäufigste Diagnose für eine Krankmeldung. Laut der Studie ist jeder 20. Berufstätige einmal im Jahr wegen Rückenschmerzen nicht bei der Arbeit. Männer sind dabei häufiger krankgeschrieben als Frauen. Auch zunehmendes Alter spielt dabei eine Rolle. Allerdings gingen auch 85 Prozent der Befragten trotz Rückenschmerzen zur Arbeit. Am verbreitetsten sind Schmerzen an der Lendenwirbelsäule, also im unteren Bereich.

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    Was sind die Ursachen für die Schmerzen?

    In 80 Prozent der Fälle sind Rückenschmerzen nur ein Warnsignal, weiß Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation an der Sporthochschule Köln. Meist seien nicht Schäden an Bandscheiben oder Wirbelsäule Ursache der Probleme. Dagegen würden sich Stress und Psyche auf den Rücken auswirken. „Die Menschen investieren viel in ihre Frontseite, aber wenig in den Rücken“, sagte Froböse. Die Achtsamkeit fehle. Laut der DAK-Studie steigern häufiges Arbeiten in unbequemen Körperhaltungen, Termin- und Leistungsdruck und eine schlechte Work-Life-Balance das Risiko für Probleme mit dem Rücken.

    Wie verhalten sich Betroffene?

    Die meisten Menschen versuchen zunächst, sich allein zu helfen. Sie setzen auf Wärme oder Spaziergänge. Jeder dritte Befragte aber unternahm nichts und rechnete damit, dass die Rückenschmerzen wieder verschwinden. Dieses Verhalten lobte Froböse: „Meist sind Rückenschmerzen wie ein Schnupfen. Deshalb sollten Betroffene nicht in Panik geraten.“ Die meisten Berufstätigen haben auch nur kurzzeitig Probleme, nur knapp 15 Prozent der Befragten hatten im letzten Jahr chronische Rückenschmerzen.

    Doch viele Patienten haben nicht so viel Geduld: Immer mehr Menschen gehen mit Rückenschmerzen sofort in eine Klinik. Die Studie hat untersucht, wie und wann Menschen mit Rückenproblemen ein Krankenhaus aufsuchen. Fast die Hälfte der Patienten kam als Notfall in die Klinik – selbst zu den Zeiten, in denen die Praxen der Hausärzte geöffnet sind. Die Zahl der Notfall-Aufnahmen stieg deutlich stärker an als die der geplanten Aufnahmen. Gründe dafür wurden in der Studie nicht untersucht.

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      Wie hilft der Arzt?

      Wenn Menschen mit Rückenschmerzen zu einem niedergelassenen Arzt gingen, verschrieben die Mediziner laut der DAK-Studie meist Physiotherapie. Auch Schmerzmittel wurden häufig verordnet, oder Ärzte verabreichten eine Spritze. Knapp jeder Fünfte bekam von seinem Arzt eine Beratung, wie er mit den Schmerzen umgehen kann.

      Wie kann Menschen noch besser geholfen werden?

      Die Krankenkassen haben schon vor Jahren in Programme für die Rückengesundheit investiert – doch das Rückenproblem sei noch nicht im Griff, sagte DAK-Vorstand An­dreas Storm. Angebote im Bereich Prävention und Vorsorge seien auf „den Prüfstand zu stellen“. Das Wissen um Stress und Psyche bei Rückenleiden müsse stärker in die Diagnose einfließen, sagte Storm. Der Experte Ingo Froböse hält es für problematisch, dass die Menschen häufig nicht wüssten, wie sie ihren Rücken gesund halten können. „Es wird oft nur das Symptom bekämpft, aber nicht die Ursache“, erklärte Froböse.

      Was können Schmerzgeplagte gegen die Beschwerden tun?

      Rückengesundheit könnten sich Betroffene nicht kaufen, so Ingo Froböse. „Ich kann die Verantwortung nicht an einen Bürostuhl abgeben.“ Körperliche Aktivität sei das A und O, rät er. Asymmetrische Bewegungen seien gut, zum Beispiel Fahrradfahren oder einfach viel gehen. Ein echter Alleskönner sei Aerobic. Im Alltag sollte möglichst viel Bewegung integriert werden: lieber die Treppe nutzen statt den Fahrstuhl rufen.

      Bei Tätigkeiten am Schreibtisch sei es wichtig, nie in einer Position zu verharren. Auch stundenlanges aufrechtes Sitzen sei für den Rücken schlecht. Der „Geheimtipp“ des Wissenschaftlers ist eine Übung mit dem Namen „Hacker“. Sie funktioniere im Sitzen und im Stehen. Man muss dafür die Arme anwinkeln und beide Arme schnell nach oben und unten bewegen. Dies stimuliere die Muskeln im Lendenwirbelbereich, erklärte Froböse.