Berlin. Einige Zeit auf Nahrung zu verzichten, soll angeblich entschlacken und die Figur auf Linie bringen. Ärzte bezweifeln das. Was stimmt?

Aktuell 10.400.000 Treffer bringt bei Google die Suche nach dem Wort „Fasten“. Das ist eine ganze Menge. Jetzt, in den Wochen vor Ostern – der traditionellen Fastenzeit –, ist der völlige oder teilweise Verzicht auf Nahrung wieder in aller Munde. Zwischen dem heutigen Aschermittwoch und Gründonnerstag (29. März) wollen viele Deutsche „entschlacken“, oder zumindest ein paar Tage durchhalten.

Längst ist Fasten ein Gesundheitstrend. Fastenforen, Selbsthilfeseminare oder private Kurkliniken verheißen schnelle Entgiftung und purzelnde Pfunde. Doch die medizinische Wirkung ist umstritten, die Studienlage dünn. Professor Joachim Mössner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Leipzig, äußert sich seit Jahren kritisch zu dem Thema. Sein Urteil fällt vernichtend aus: „Fasten ist mittelalterlicher Hokuspokus. Und nicht ganz ungefährlich.“ Dennoch scheinen sich Millionen Menschen gut damit zu fühlen. Was ist dran am Hungern für die Gesundheit?

Bio-Fasten auf der Alb, Smoothie-Fasten auf Mallorca

Methoden gibt es en masse: von Suppen-, Saft-, Wasser-, Molke-, Früchte- oder Säure-Basen-Fasten über Nulldiät und Schrothkur hin zum Fasten nach Hildegard von Bingen (mit Dinkel und Gemüse) oder Fasten nach F.X. Mayr (mit Milch und Semmeln). Das „Heilfasten“ nach Buchinger gilt als die am häufigsten angewendete Praxis. Nach sogenannten Entlastungstagen mit Obst und Haferschleim wird an mindestens fünf Fastentagen nur getrunken: Brühe, Tee, Säfte und Wasser. Die Methode begründete der Internist Otto Buchinger, der in den 20er-Jahren damit Stoffwechselerkrankungen lindern wollte.

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    Für die „Fastenärzte seit vier Generationen“, wie sich Buchingers Erben nennen, ist das heute ein einträgliches Geschäft. Und nicht nur für sie: Die Fasten-Wander-Zentrale, ein Werbezusammenschluss der Anbieter von Fastenreisen, hat allein für die Monate Februar und März gut 200 Termine im Programm – vom Bio-Fasten auf der Schwäbischen Alb bis zum Smoothie-Fasten auf Mallorca. Im Schnitt 1000 Euro kostet so ein Aufenthalt vor fast leeren Tellern. Yoga und Meditation – gegen Aufpreis – sind möglich.

    Intervallfasten liegt besonders im Trend

    Derzeit gilt Intervallfasten oder intermittierendes Fasten als das neue Superfood unter den Selbstentgiftungsmethoden. Dabei isst man in regelmäßigen Intervallen für einige Stunden (tägliches Fasten) oder einige Tage (wöchentliches Fasten) nichts oder sehr wenig, ernährt sich sonst aber wie gewohnt. „Hinter Intervallfasten steht das Prinzip aller Diäten: Insgesamt nimmt man weniger Kalorien zu sich, als der Körper verbraucht“, räumt die Ökotrophologin Bettina Snowdon in ihrem Buch „Schlank durch Intervallfasten“ ein.

    Entgegen einer normalen Diät gebe es bei der Methode aber keinen „Jo-Jo-Effekt“, wie sie sagt: Der Körper erhalte immer wieder genug Nahrung und habe so keinen Anlass, Strategien gegen das Verhungern einzuleiten. So ließen sich sowohl der Stoffwechsel als auch Blutzucker- und Insulinspiegel regulieren, der Alterungsprozess verzögern und – jawohl – die Lebenszeit verlängern, meint Snowdon.

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      Kurzfristige Verbesserungen sind nachweisbar

      Magen-Darm-Experte Mössner hält lediglich für realistisch, dass sich Betroffene durch das Fasten kurzfristig wohler fühlen. Aber: „Die Probleme kehren zurück, sobald die normale Verdauung wieder beginnt.“ Viele litten etwa an einem Reizdarmsyndrom – dabei werde offenbar schon der normale Gehalt an Gasen, die die Dickdarmbakterien produzierten, als schmerzhaft empfunden. „Wenn der Darm mal ein paar Tage weniger zu tun hat, bessern sich vielleicht bei einigen die Beschwerden“, sagt Mössner. Diese „Reizbarkeit“ des Darms werde aber durch eine vorübergehende Leere nicht verbessert.

      Dass der Körper durch Essensentzug entschlackt beziehungsweise entgiftet wird, hält Mössner gar für Unsinn. „Natürlich kommt der Mensch durch Essen und Trinken auch mit Schadstoffen in Berührung. Aber die sind durch eine einmalige Aktion nicht wieder auszusondern.“ Vielmehr erledige der Körper das im Normalfall von selbst.

      Längere Nulldiäten bergen Gefahren

      Auch sein Kollege Professor Michael Manns, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), ist gegen „kurzfristige Gewaltkuren“. „Tatsache ist, dass alle radikalen Maßnahmen selten einen längeren Effekt haben“, sagt er. „Wenn man dauerhaft abnehmen will, hilft nur Kalorien reduzieren, sich ballaststoffreich ernähren und vor allem: Sport treiben.“

      Sowohl Mössner als auch Manns warnen vor den Gefahren längerer Nulldiäten. Diese könnten zur Bildung von Gallen- und Nierensteinen führen. „Wenn der Darm lange ruht, beginnt die nicht zum Einsatz kommende hochkonzentrierte Galle zu kristallisieren. Dazu genügen wenige Tage“, erklärt Mössner. MHH-Professor Manns kann sich dennoch vorstellen, dass die Fastenzeit einen Erfolg mit sich bringen kann: „Wenn die Betroffenen eine der Methoden als Einstieg für eine konsequent geänderte Lebensform nutzen, kann das Sinn machen“, sagt er. Wer aber länger als eine Woche radikal fasten will, solle dies unter ärztlicher Aufsicht tun, rät er.

      Taugt nicht als Diät, ist aber gut für den Geist

      Selbst Fastenmedizinerin Ulrike Göschl glaubt nicht, dass Fasten als Diät etwas taugt. Die Pause sei aber ein „Recyclingprozess“ für den Körper, der mit dem Entschlacken Ablagerungen, Zellbruchstücke und andere Reste abbauen könne. Die ärztliche Leiterin des Kurhauses Marienkron in Österreich ist überzeugt: „Fasten wird so zu einer Art Boxenstopp für unser ganzes System.“

      Einig sind sich die Mediziner zumindest in einem Punkt: Fasten kann die Psyche belohnen – wenn man es denn durchhält.