Es gibt unzählige Auslöser von Allergien. Die Behandlung beginnt mit der Spurensuche.

Jetzt, wenn die Haselnuss blüht, fängt es bei den Ersten an: unerträgliches Jucken, Schnupfen, Niesen und tränende Augen - der Heuschnupfen. Er gehört vor Kontakt- und Nahrungsmittelallergien zu den häufigsten Allergien Norddeutschlands. Kurz gesagt ist eine Allergie eine Irreführung des Immunsystems.

"Man wird nie mit einer Allergie geboren", erklärt Prof. Dr. Klaus Rabe, Chefarzt im Zentrum für Pneumologie im Klinikum Großhansdorf. "Es handelt sich immer um eine erworbene Reaktion", sagt der 54-Jährige. Das heißt konkret: Es kann einen Kontakt oder sogar mehrere Kontakte mit dem Allergen geben, ohne dass etwas passiert. Aus bisher unbekannten Gründen wird dann aber die eigentlich harmlose Substanz vom Immunsystem als fremd und gefährlich eingestuft und bekämpft. Je nach Form der Allergie kommt es dann zu einer sofortigen oder einer verzögerten Reaktion.

Bei der Soforttyp-Allergie reagiert der Körper unmittelbar nach dem Kontakt mit dem Allergen. Die sogenannten Immunglobulin-E-Antikörper, kurz IgE-Antikörper, die auf bestimmten Körperzellen, den Mastzellen, sitzen, binden das Allergen, woraufhin die Mastzellen spezielle Alarmbotenstoffe wie Histamin ausschütten. Die wiederum lösen dann das gesamte Spektrum der allergischen Reaktion aus: Hautausschlag, Schnupfen und Niesen, Juckreiz, tränende Augen, Schleimhautschwellungen, Wassereinlagerungen im Gewebe oder auch einen plötzlichen Blutdruckabfall.

Zu einer Sofortreaktion führen typischerweise Pollen, Nahrungs- und Arzneimittel, Tierhaare, Hausstaubmilben, Insektengift oder Schimmelpilze.

Bei der Spättyp-Allergie bilden sich die Symptome erst nach Stunden oder sogar Tagen aus. Ausgelöst werden die heftigen Reaktionen nicht durch Antikörper, sondern durch die sogenannten T-Zellen der Immunabwehr. Meist sind es Berührungen mit Chemikalien oder Metallen, also auch Schmuck, aber ebenso Hautcremes oder Reinigungsmitteln, die in der Regel örtlich begrenzte, gerötete oder nässende Ausschläge provozieren. Man spricht daher von einer Kontaktallergie.

Hat das Immunsystem erst einmal allergisch reagiert, merkt es sich das für die Zukunft. Die entsprechende Abwehrreaktion wird dann bei jedem neuen Kontakt mit der Substanz ausgelöst; oft sogar mit zunehmender Heftigkeit. So überraschend und schnell, wie sich eine Allergie entwickelt, so erstaunlich und schnell kann sie auch wieder verschwunden sein. Warum das passiert, konnten Wissenschaftler noch nicht ergründen. "Doch darauf verlassen sollte man sich nicht", so Prof. Rabe. "Man muss ein Allergen in der Regel schon jahrelang meiden, um irgendwann nicht mehr darauf zu reagieren."

Oft genug ist ein Vermeiden des Kontakts auch schwierig. Haustiere können abgeschafft, Ketten und Ringe abgelegt werden, auch bestimmte Nahrungsmittel kann man meiden. Aber konsequent den Kontakt mit Pollen zu umgehen oder den Haushalt wirklich staubfrei zu halten, das ist in der Realität kaum machbar.

Jede Behandlung einer Allergie beginnt mit einer oft aufwendigen Spurensuche. Bei schweren Allergien geht es allerdings zunächst darum, die Symptome zu lindern. Dann beginnt die fast kriminalistische Ermittlungsarbeit. "Für uns ist es auch wichtig, ob der Patient einen Infekt oder eine Grippe hatte", betont Prof. Dr. Ingrid Moll, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. "Hinter einem ausgedehnten Hautausschlag, der meist juckt, steckt oft ein parainfektiöser Schub, eine Reaktion auf das Zerfallsprodukt des Bakteriums oder der Viren."

Erst wenn der allergieauslösende Stoff bekannt ist, kann eine gezielte Therapie eingeleitet werden. Was wurde wann gegessen, welche Creme, welches Waschmittel wurde benutzt? Gab es Veränderungen in den alltäglichen Gewohnheiten? Wann kam es zu welcher Reaktion? Oft ist das Führen eines Tagebuchs sinnvoll, in dem alles notiert wird - von den morgendlichen Badezimmerritualen über das Essen bis zur Beschaffenheit der Kleidung.

Ergänzend können im Blut die spezifischen IgE-Antikörper nachgewiesen oder auch ein Hauttest, der sogenannte Pricktest, durchgeführt werden. Dabei werden die verdächtigen Allergene in minimaler Dosierung auf den Unterarm getropft und mithilfe eines winzigen Stichs unter die Haut gebracht: im Falle einer Überreaktion bilden sich Rötungen oder kleine Quaddeln.

Ist die allergieauslösende Substanz gefunden, ist die erste und wichtigste Maßnahme immer das Vermeiden jeglichen Kontakts. Ist das nicht möglich, ist es normalerweise üblich, ein schnell wirkendes Antihistaminikum einzusetzen, das die Überreaktion des Histamins verhindert.

Bei Asthma oder Atemnot helfen schnell wirkende Inhalationssprays, die meist kleine Mengen Kortison enthalten und die Bronchien sehr schnell und erlösend wieder erweitern. Heuschnupfen-Patienten helfen sich gut selbst mit Nasenspray und Augentropfen, die für rasche Linderung sorgen. "Bei schwerem Heuschnupfen ist eine Hyposensibilisierung zu erwägen", sagt Prof. Rabe. "Die Gefahr, mit der Zeit ein Asthma auszubilden, ist relativ hoch." Bei der Hyposensibilisierung wird der Körper Schritt für Schritt an die auslösende Substanz, meist ein bestimmtes Eiweißmolekül, gewöhnt. Besonders gute Ergebnisse hat man bei Pollen- und Insektengift-Allergien erzielt.

Besonders Kinder von allergiegeplagten Eltern reagieren oft ebenfalls überempfindlich, wenn auch auf andere Auslöser. Vor allem Nahrungsmittelallergien machen sich oft schon in den ersten Lebensjahren bemerkbar.

Je mehr verschiedene Stoffe, vor allem Eiweiße, ein Kind zu sich nimmt, desto höher ist das Risiko einer Allergie. "Der kleine Körper muss erst einmal lernen, welche Eiweiße zum eigenen Körper gehören, welche nicht - und welche davon wiederum schädlich sind und bekämpft werden müssen", erklärt Prof. Rabe.

Kommen zu früh zu viele Eiweißmoleküle ins Spiel, stuft der kindliche Darm die Proteine fälschlicherweise als gefährlich ein und entwickelt dagegen IgE-Antikörper. Der alte Rat, Kinder langsam und vorsichtig an neue Nahrungsmittel heranzuführen, gilt also auch noch heute. Wenn ein Kind allergisch reagiert, sollte es aber sofort behandelt werden. "Das Schlechteste, was einem Kind passieren kann, ist, dass es nicht adäquat behandelt wird", sagt Prof. Rabe. "Ganz falsch ist der noch immer übliche Ansatz, Kinder mit Atemproblemen vom Sport zu befreien: Unser Ziel ist es, die Patienten so zu behandeln, dass sie ein normales und sportlich aktives Leben führen können!"