Interview mit Prof. Dr. Ingrid Moll von der Klinik für Dermatologie und Venerologie am UKE

Die 58-jährige Direktorin des Zentrums für Innere Medizin und Dermatologie erklärt, in welchen Fällen Allergien sogar zum Kreislaufversagen führen können.

Abendblatt:

Frau Prof. Dr. Moll, was kann man tun, wenn man plötzlich und unerwartet Allergiesymptome hat?

Prof. Dr. Ingrid Moll:

Viele rote, juckende Quaddeln, die sich besonders rasch vermehren, sind ein Notfall und sollten von einem Arzt gesehen werden. Wer einen Bienen- oder Wespenstich hatte und kurz danach Beschwerden - Juckreiz, Kribbeln, Rötung, Schwellung - an anderer Körperstelle, deutlich vom Stich entfernt, verspürt, sollte umgehend zum Notarzt oder 112 rufen. Die Reaktion auf einen Insektenstich kann zum Kreislaufversagen führen! Bei Niesen und tränenden Augen nach einem Kontakt mit Tieren oder Pflanzen sollte man duschen, Haare waschen und sich komplett umziehen.

Ab wann sollte man zum Arzt gehen?

Moll:

Wenn die Symptome nach ein bis zwei Tagen nicht besser geworden sind, sollte man einen Arzt aufsuchen. Und, wie gesagt, bei Quaddeln, Insektenstichen und natürlich Kreislaufproblemen oder Atemnot sofort zum Arzt oder auch die 112 wählen!

Wie sind Hautausschläge im Zusammenhang mit Infekten einzuordnen?

Moll:

Man spricht von sogenannten parainfektiösen Hautausschlägen, die relativ oft im Zusammenhang mit Infekten (z. B. grippale Infekte, Mandelentzündung, Darminfekte) auftreten. Man nimmt an, dass es sich um eine Art allergischen Ausschlag als Reaktion auf Stoffwechsel- oder Zerfallsprodukte der Bakterien oder Viren handeln könnte. Diese Ausschläge treten auch ohne Einnahme von Medikamenten auf. Meist verlaufen sie nicht schwer und heilen wieder ab. Bei schweren Verläufen sollte ein Hautarzt aufgesucht werden, der meist Antiallergika oder Kortisoncremes verordnen wird.

Wie ist Ihre Meinung zu Kortison, das ja oft bei Allergien zum Einsatz kommt.

Moll:

Die allgemeine Angst vor Kortison möchte ich nehmen. In manchen Fällen und Situationen ist es das nebenwirkungsärmere Medikament, manchmal sogar absolut lebensrettend.

Viele Patienten klagen über Reaktionen auf Medikamente. Sind das Allergien?

Moll:

Seit einigen Jahren gibt es neue Medikamente, die sogenannten Biologica, die verschiedene normale Zellsubstanzen und -moleküle hemmen, die für die Entstehung von Krankheiten wie Krebs oder Schuppenflechte wichtig sind. Diese hemmend wirkenden Medikamente erzeugen dann auch an anderer Stelle, an der dieselbe Zellsubstanz auch bei normalen Aktivitäten von Zellen nötig ist, einen Stopp. Dies führt in vielen Fällen zu Hautausschlägen. Da dies keine allergischen Reaktionen sind, sondern zu den eigentlichen Reaktionen des hemmend wirkenden Medikamentes gehören, sollte aber unbedingt weiterbehandelt werden.