Der Weinexperte Mario Scheuermann stellt sommerliche Mixgetränke vor. Welcher Weinmix passt am besten zum Sommerwetter?

Darf man mit Wein mixen? Ihn mit Eiswürfeln verwässern oder gar mit Limo trinken? Man darf! Auch wenn Wein-Puristen jetzt aufschreien. Man hat das immer getan. Denken wir nur an Omas Maibowle, Opas Kalte Ente oder an Sangria & Co. Heute sind Wein-Mixgetränke so populär wie noch nie, ob in kalifornischen Bars, an spanischen Stränden oder bei Weinfesten, in Discos und Beach-Clubs von Hamburg.

Angesichts der zurzeit herrschenden tropischen Temperaturen stellt sich die ultimative Erfrischungsfrage: Welcher Weinmix passt am besten zu diesem Wetter? Meine persönlichen Favoriten sind neben der klassischen Riesling-Schorle - halb Wasser, halb Wein - Rosé on the Rocks und Cola-Schoppen.

Cola und Wein? Das gilt in den feinen Weinkreisen gemeinhin als das Banausen-Getränk schlechthin. Mit Schaudern und Abscheu erzählt man sich dort die Geschichte von den neureichen Amerikanern oder Chinesen, die sich ganz ungeniert Eiswürfel und Cola in ihren sündhaften teuren Bordeaux schütten, weil der nicht kalt und süß genug schmeckt. Das mag vereinzelt vorkommen. Die Regel ist es freilich nicht. Und seinen Ursprung hat der Cola-Wein-Mix ganz woanders.

Die weiße Version mit Riesling und Coke wurde vor Jahrzehnten bereits auf den Volksfesten in Rheinhessen geboren und ist dort bis heute populär. Der rheinhessische Kult-Weinmacher Dirk Würtz bekennt sich in seinem Wein Blog offen zum Cola-Schoppen und schwört auf die Mischung trockener Riesling und Classic Coke. Darüber hat er ein hinreißend komisches Video gedreht und bei Youtube veröffentlicht, zu dem der badische Winzer Patrick Johner einen Riesling Love Song im Discosound geschrieben hat.

Auch an der Nahe und in der Pfalz wird fleißig Cola-Schoppen getrunken. Dort heißt das Wein-Mix-Getränk Persching. Für meine persönliche Lieblingsvariante nehme ich freilich keinen trockenen, sondern einen feinherben leichten Riesling von der Mosel (vorzugsweise aus der Literflasche von Albert Kallfelz) und Fritz-Kola, die regionale Hamburger Kultvariante dieser globalen Limonade. Die ist nicht so süß, enthält einen Hauch Zitrone und mit 25 Milligramm pro 100 Milliliter dreimal so viel Koffein wie das amerikanische Original. Gut geht das auch als Fritz & Fritz. Dafür nehme ich den Fritz's Riesling vom Weingut Gunderloch aus Nierstein.

Während der Cola-Schoppen eine deutsche Regionalspezialität ist, trinkt man Cola mit Rotwein weltweit vor allem aber in Spanien. Der populäre Mix entstand dort in den 1970er-Jahren bei den studentischen Vorläufern der heutigen Botellóns in Madrid. Damals nannte man das Getränk, das gewöhnlich aus rotem Rioja und Cola bestand, noch Rioja libre oder Cuba libre del pobre ("Cuba Libre" für Arme).

Im Jahr 1972 - so kann man es in der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia nachlesen - tauchte in Getxo im Baskenland dafür erstmals der Begriff "Kalimotxo" auf, der seither in der spanischen Schreibweise "Calimocho" dem Getränk seinen Namen gab. Hierzulande wird es auch Ochsenblut, genannt, andernorts auch Korea oder Bambule. Vor allem an der amerikanischen Westküste gilt derzeit der Calimocho als Dernier Cri in den populären Weinbars. Vorreiter dieses Trends ist dort kein geringerer als Duggan McDonnell, seit vielen Jahren gefeierter Kreativ-Star der amerikanischen Cocktail-Szene. In seiner In-Bar Cantina in San Francisco mixt er beispielsweise mit Sauternes, Malbecs und Muscats. Der populärste Drink in der Cantina ist derzeit die von ihm kreierte "Blackberry and Cabernet Caipirinha".

Ein anderer Wein-Mix Trend kommt aus Südafrika und heißt schlicht Rosé on the rocks. Der weltweite Rosé-Boom hat Südafrika erst sehr spät erfasst, und zwar einfach mangels der dafür nötigen Weine. Heute ist Rosé aus Südafrika einer der größten Wein-Exportschlager des Landes. Dabei gab es in den 1950er-Jahren in Südafrika nur eine Handvoll Rosé-Produzenten. Heute mag kaum ein Erzeuger auf einen solchen Wein verzichten.

Dies führte zu einer erstaunlichen geschmacklichen Vielfalt: Rosé aus Shiraz, Merlot oder Pinotage, Gamay, Mourevèdre oder Cabernet. Vor allem junge, weibliche Konsumenten in den Städten schätzen diese Weine. Der Rosé-Trend traf am Kap auf eine andere, weit verbreitete Gewohnheit, nämlich die, im Sommer Rotweine und Tawny Port gekühlt und mit Eis zu trinken. Manche Konsumenten begnügen sich mit ein, zwei Eiswürfeln im Wein, andere nehmen ein Glas voll Eis und lassen den Wein darüberlaufen. Mit dem hellen Port geht das sehr gut. Vielen leichten Roséweinen bekommt das aber gar nicht. Durch die Verdünnung schmecken sie flach und nichtssagend.

Der aus Australien eingewanderte Wein-Konzeptionist Graham Knox in Wellington stellte sich die Frage: Muss das so sein? Die theoretische Antwort lag auf der Hand: Natürlich nicht! Man könnte sicher einen Rosé-Wein auch so gezielt produzieren, dass er on the rocks schmeckt. Er sollte etwas dunkler in der Farbe sein als ein klassischer Claret. Er brauchte nicht zwangsläufig einen hohen Alkoholgehalt, aber er sollte von einigen Komponenten - vor allem Säure, Tannin und Restzucker - so viel mehr als gewöhnlich haben, dass er verdünnt besser schmeckt. Gesagt, probiert und getan. So entstand 2008 "Couture", den er als "The first wine to mix with" propagierte. Das bedeutet im Englischen ja nicht nur vermischen sondern auch freundlichen Umgang miteinander pflegen.

Schnell sorgte dieser Wein in Südafrika, aber vor allem auch in England für Furore, wo allein die Handelskette Tesco im ersten Jahr über 200 000 Flaschen verkaufte. Er fand schnell Nachahmer, und inzwischen ist Rosé on the Rocks, gemischt mit Apfelsirup, Mandarinen-Spalten oder frischem Grapefruitsaft der Hit bei jedem Braai.

Wem das alles zu exotisch ist, der hält sich vielleicht dann doch besser an die gute alte Schorle aus Wasser und Wein, aus der unsere österreichischen Nachbarn dann doch wieder eine Wissenschaft für sich gemacht haben. Denn der G'spritzte oder Spritzer besteht laut Paragraf 4 der österreichischen Weingesetz-Bezeichnungsverordnung aus mindestens 50 Prozent Wein und höchstens 50 Prozent Soda- oder Mineralwasser.