Der Tierschutz kommt in großen Schlachthöfen oft zu kurz, so die Regierung. Die Grünen fordern Konsequenzen, die Branche wehrt sich.

Berlin. Akkord-Schlachten ohne richtige Betäubung: Beim Töten von Schweinen und Rindern in deutschen Schlachthöfen kommt es aus Sicht der Bundesregierung vielfach zu unnötigem Leiden. Solche Zwischenfälle seien so schwerwiegend, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssten, um sie sicher auszuschließen, heißt es in einer Antwort des Bundesagrarministeriums auf eine parlamentarische Anfrage. Die Grünen kritisierten zu hohen Zeitdruck in der industriellen Massenschlachtung und forderten strengere Vorgaben. Die Branche wies die Vorwürfe scharf zurück.

Zentrales Problem sind Defizite bei der Betäubung. Sie können dazu führen, dass Tiere vor dem eigentlichen Schlachten „das Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen wiedererlangen“ und zum Beispiel „reagierende oder wache Schlachtschweine in die Brühanlage gelangen“, erläutert die Regierung. Diese „Fehlbetäubungsrate“ erreiche bei Schweinen laut internationalen Studien bis zu 12,5 Prozent, wenn per Hand bediente elektrische Betäubungsanlagen eingesetzt werden. Bei Rindern würden demnach bis zu 9 Prozent nicht richtig betäubt. Damit wurden Informationen der „Saarbrücker Zeitung“ (Donnerstag) bestätigt.

In großen Schlachtanlagen werden bis zu 750 Schweine pro Stunde automatisch betäubt, wie die Regierung berichtet. Zum fachgerechten Töten per „Entblutestich“ sind dann etwa fünf Sekunden Zeit. Bei Rindern sind es bis zu 80 Tiere in der Stunde und jeweils 45 Sekunden fürs Töten. Im vergangenen Jahr wurden in 5100 zugelassenen Betrieben mehr als 59 Millionen Schweine und 3,7 Millionen Rinder geschlachtet.

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Entscheidend seien „wirksame Betäubung und deren ordnungsgemäße Überwachung sowie das Feststellen des Fehlens von Lebenszeichen bei jedem einzelnen Tier vor Beginn der weiteren Schlachtarbeiten“, betont das Ministerium. Daher würden verschiedene Forschungsvorhaben zur „Weiterentwicklung einer tierschutzgerechten Tötung“ gefördert.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn kritisierte, die Bundesregierung verweigere es, den Zusammenhang zwischen dem Zeitdruck bei der Akkordarbeit und Tierschutzmängeln in Schlachthöfen anzuerkennen. „Die Verbraucher wollen aber keine Billigschnitzel um den Preis, dass eines von 100 Schweinen lebend verbrüht wird.“ Betäuben und Töten müssten verpflichtend aus der Akkordarbeit herausgenommen werden. Nötig seien zudem Vorschriften für maximale Tierzahlen pro Stunde, bessere Kontrolle und ein Branchen-Mindestlohn, um mehr ausgebildete Kräfte für die Branche zu gewinnen.

Der Verband der Fleischwirtschaft hielt der Bundesregierung „Pauschalierungen und Unkenntnis der aktuellen Situation“ in der Branche vor. Undifferenzierte Prozentwerte und nicht zeitgemäße Literaturquellen würden in unseriöser Weise verallgemeinert. Mehr als 95 Prozent aller Schlachtungen würden in 45 großen Rinder- und 60 Schweinefleischunternehmen vorgenommen. Diese seien mit moderner Betäubungs- und Entblutetechnik ausgerüstet und hätten ein großes Eigeninteresse daran, Prozesse ständig weiterzuentwickeln.