Auswahltests sind vor allem BWL- und Medizinstudenten bekannt. Mit einem solchen Test können sie ihre Chancen auf einen Studienplatz steigern.

Bonn. Ein Bildschirm, eine Tastatur und eine Flasche Wasser: die Arbeitsplätze in der Hamburger Dekra Akademie sind aufgeräumt und funktional. Weiße Sichtschutzleuchten verhindern den Blick zu den Nachbartischen, und nichts lenkt ab von den Aufgaben auf dem Monitor: Texte genau lesen und daraus Aussagen ableiten, wirtschaftliche Zusammenhänge formalisieren oder Grafiken interpretieren.

Durchaus machbar für die 60 Teilnehmer im Raum, die alle schon einen Bachelorabschluss in Wirtschaftswissenschaften in der Tasche haben. Wäre da nicht der Zeitdruck: knapp vier Stunden für 90 Ankreuzaufgaben mit reichlich Text. Und wäre da nicht die Nervosität: „Die Prüflinge sind aufgeregt – und wie!“, sagt Betreuer Lothar Koblica an der Dekra Akademie. „Es hängt ja auch ein Stück Zukunft daran.“

Über die Zukunft und in diesem Fall einen Masterstudienplatz entscheidet allerdings nicht das Team der Dekra Akademie. Es ist lediglich zuständig für die Räumlichkeiten, die Technik und die Umsetzung des Reglements, das von der ITB Consulting vorgegeben wurde. Das Bonner Beratungsunternehmen hat den Eignungstest für Masterstudiengänge in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, kurz TM-WISO entwickelt und bringt ihn jährlich zu drei bis vier Terminen in immer neuen Versionen in die jeweiligen Testorte zwischen Hamburg und Stuttgart.

+++Studienplatz-Börse im Internet weiter nur im Testbetrieb+++

+++Zur Eignungsprüfung: Mappe mit 20 Arbeiten+++

Bewerber der Universitäten Hamburg und Köln können mit der erfolgreichen Teilnahme ihre Chancen auf einen Masterstudienplatz erheblich verbessern. Nach der Bachelornote ist das Testergebnis ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Studienplatzvergabe, erklärt Stefanie Weide, Programm-Managerin an der Universität zu Köln, zu deren Aufgabenbereich die Masterzulassung gehört.

Auswahlverfahren sind in Deutschland die Ausnahme, weil das Abitur die Zulassung zu jedem Studium ermöglichen soll. Allgemeine Studierfähigkeitstests sind deshalb nicht erlaubt. Denn dafür gibt es ja das Abitur. Fachbezogene Tests sind dagegen sehr wohl zulässig. Sie kommen vor allem zum Einsatz in Masterstudiengängen in den Wirtschaftswissenschaften, in privaten Hochschulen wie der Leuphana Universität Lüneburg, der Bucerius Law School in Hamburg oder der Fresenius Fachhochschule.

Aber auch mehr als ein Dutzend medizinische Hochschulen haben inzwischen wieder einen Medizinertest eingeführt. Darunter die Universitäten in Heidelberg und Tübingen. Es ist der Test für medizinische Studiengänge TMS, und er prüft die Studierfähigkeit: „Wie gut wird sich der Bewerber später neues Wissen aneignen können? Genau um diese Fragestellung geht es und nicht etwa um die Überprüfung des Wissensniveaus in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern“, erklärt Diplom-Psychologe Stephan Stegt von der ITB Consulting. Die Auswahltests sollten Studenten auch nicht verwechseln mit Orientierungstests, die Studienbewerber an ein Studium heranführen sollen, aber keine Auswahlverfahren darstellen.

Der Nachteil für die Studenten: Sie müssen für die Teilnahme am Testverfahren meist Gebühren bezahlen. Für den TM-WISO sind es etwa 97 Euro. Für die in Köln ebenfalls zugelassenen amerikanischen Varianten „Graduate Management Admission Test“ (GMAT) und „Graduate Record Examination“ (GRE) sind es inklusive Mehrwertsteuer sogar 300 Dollar. Dazu können noch Kosten für Übungsbücher oder Vorbereitungskurse anfallen.

Stephan Stegt sieht die Vorbereitungskurse kritisch: „Der Erfolg bei der Bewerbung darf nicht davon abhängen, wie viel Geld man investiert.“ Daher verwende die ITB überwiegend Aufgabentypen, bei denen empirisch nachgewiesen wurde, dass ihre Trainierbarkeit gering sei. Was nicht bedeutet, dass man unvorbereitet erscheinen sollte: „Das ist nicht ganz ohne.“

Studenten, die an den Tests teilnehmen wollen, sollten sich mit den Aufgabentypen und dem Testaufbau vertraut machen. Bevor sie bei dem Test antreten, sollten sie etwa die Demoversion online entsprechend der Zeitvorgaben lösen. Kandidaten werden aber nicht unbedingt besser, je mehr sie üben, betont Stephan Stegt. Studien zum Medizinertest TMS haben ergeben, dass nach einer etwa 30- bis 40-stündigen Vorbereitung die Leistungsfähigkeit erreicht sei und nicht mehr verbessert werden könne. „Es geht ja eben nicht um spezielles Fachwissen, sondern um die Studierfähigkeit.“

Doch nicht nur in einigen ausgewählten Studiengängen wird auf Auswahltests zurückgegriffen. Junge Leute, die sich bei der Studienstiftung des Deutschen Volkes selbst bewerben, bekommen es auch mit so einem Test zu tun.

Die Studienstiftung will den Anteil der „Erstakademiker“, also von Studenten aus nichtakademischen Elternhäusern in seinen Programmen fördern. Bisher mussten junge Leute etwa von der Schule für die Stiftung vorgeschlagen werden. Nun können Schüler sich auch selbst nominieren, müssen aber einen Auswahltest machen. Er ergänze das bisherige Verfahren und stelle eine Öffnung der Stiftung dar, sagt Katja Fels von der Studienstiftung. Im Unterschied zu den vorschlagsberechtigten Schulen, die nicht alle von ihrem Recht Gebrauch machen, habe damit jeder begabte Student potenziell Zugang zum Stipendium: „Der Test behandelt alle gleich. Hier fängt jeder bei Null an.“