Schulstress und Studium sorgen dafür, dass Leistungs- wie Breitensport viele Talente verlieren.

Der erste Hamburger Sportler, der sich für die Premiere der Youth Olympic Games vom 14. bis 26. August in Singapur qualifiziert hat, ist ein Segler: Florian Haufe vom Norddeutschen Regatta Verein startet in der Einhandjolle Byte. Der 16-Jährige zählt zu den 3500 Aktiven, die im Sommer um Medaillen kämpfen. Doch für die Zukunft geht er dem olympischen Segelsport womöglich verloren.

Florian Haufe ist ein Ausnahmetalent. In der Jüngstenklasse Optimist zählte er noch nicht zu den Besten, doch nach dem Wechsel in den Laser Radial verbesserte sich der begabte Schüler, der am Gymnasium eine Klasse übersprang, explosionsartig. Trainer Klaus Lahme: "Florian verfügt über herausragendes Talent, ist aber bei allem Erfolg mit beiden Füßen auf dem Teppich geblieben." Er selbst bezeichnet die Qualifikation für die Jugendspiele als "absolutes Highlight meiner sportlichen Karriere".

Die Teilnahme an "echten" Olympischen Spielen ist aus sportlicher Sicht sein großes Ziel. Realistisch erscheint sie ihm jedoch nicht, auch weil ihm das Timing nicht entgegenkommt: "Für die Spiele 2012 in England bin ich zu spät dran. Und 2016 käme für mich sehr spät." Mit anderen Worten: So lange will der Hamburger den Start in seine berufliche Karriere voraussichtlich nicht aufschieben. Die von ihm angestrebte Studienfach-Kombination Management und Maschinenbau ließe sich, so Haufe, im Gegensatz zu Fächern wie Medizin oder Jura nicht an einen Ort verlegen, an dem er gleichzeitig optimal trainieren könnte.

Haufes Problem zeigt das Dilemma von Leistungssportlern. Es gibt zu wenige übergreifende Förderstrukturen, die ein gleichzeitiges Engagement für Sport und Studium oder Beruf ermöglichen. Auch das auf zwölf Jahre verkürzte Abitur an Hamburgs Gymnasien hat Folgen - nicht nur für Leistungs-, auch für junge Freizeitsportler. Der Aderlass der Vereine im Teenager-Bereich ist groß. "Der erste Knotenpunkt kommt mit dem Wechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule, wenn die Freizeit knapper wird. Der zweite kommt mit dem Wechsel aus dem Optimist in eine andere Klasse, der spätestens mit 15 Jahren erfolgt", erklärt Anette Krüger, Trainerin im Mühlenberger Segel Club, "der dritte mit dem Abi. Da verlieren wir noch einmal viele Seglerinnen und Segler."

Immer mehr Schüler opfern ihren Sport zugunsten guter Noten. "Dabei ist Segeln ein absolut hilfreicher Sport zur Persönlichkeitsbildung. Das nützt später auch im Beruf", sagt Nadine Stegenwalner, Sportdirektorin des Deutschen-Segler-Verbands (DSV). "Wenn die Wirtschaft dies deutlicher sehen würde, hätten wir es oft einfacher." Ein weiterer Grund für die Krise ist der chronische Geldmangel. Mit jährlich 1,2 Millionen Euro Fördermittel für den gesamten Leistungssport Segeln inklusive Kaderförderung bewegt sich der DSV längst nicht mehr unter den führenden Nationen.

Spitzenreiter Großbritannien etwa operiert mit 7,5 Millionen Euro. Ein Viertel dieser Mittel werden in den Nachwuchs investiert. Achim Handtke dürfte die Summe Tränen in die Augen treiben. Der Nachwuchs-Bundestrainer und DSV-Stützpunktleiter in Kiel musste 2009 mit 35 000 Euro für den deutschen Talentkader und für sämtliche Trainingsmaßnahmen haushalten.

Mit Aussicht auf einen dornenreichen Weg entscheiden sich viele Talente für den Beruf und gegen den olympischen Sport. Die Trendwende will das Sailing Team Germany (STG) zusammen mit dem DSV einläuten. Die Förderinitiative, die von den Hamburgern Oliver Schwall und Arne Dost ins Leben gerufen wurde und prominente Unterstützer (Hans Olaf Henkel, Arbeitgeber-Ehrenpräsident Dr. Klaus Murmann) gefunden hat, verfolgt ehrgeizige Ziele: "So wie es die Deutsche Telekom im Radsport geschafft hat oder Audi im Ski-Sport, so wollen wir das Segeln in Deutschland in eine neue Ära führen." Neben dem Durchbruch an der Sponsorenfront sollen Wirtschaftsunternehmen als künftige Arbeitgeber an Bord geholt werden. Das brächte Rückenwind, auch für Florian Haufe.