Mit mehreren Partnern - vertraglich vereinbart oder nicht - oder ganz ohne: In Partnerschaften wird Sex in Zukunft laut Forschern neu verhandelt.

Kelkheim/Frankfurt. Feste Partnerschaften mehrerer Sexualpartner, Intimität nach Terminkalender und Beziehungen ganz ohne Sex: Individuell ausgehandelte Arrangements bestimmen nach Einschätzung von Zukunftsforschern zunehmend das Paarleben in Deutschland. „Liebes-Praktiken, die lange als Sittenverfall stigmatisiert wurden, rücken von den Rändern der Gesellschaft in den Mainstream“, sagte der Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, Andreas Steinle, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Kelkheim bei Frankfurt. „Verpflichtende Moralvorstellungen wie sie seitens der Kirchen formuliert werden, lassen mit der Individualisierung nach.“

Zum erotischen Kosmos der nächsten Jahrzehnte gehören sowohl asexuelle Partnerschaften als auch polyamore Beziehungen zwischen mehreren Partnern, wie die Kelkheimer Zukunftsforscher in ihrem neuen Monatsmagazin „Trend-Update“ schreiben. Diese legten großen Wert auf Dauerhaftigkeit und grenzten sich deutlich von hemmungslosem Partnerwechsel ab. Der schwierige Spagat zwischen Freiheit voneinander und dauerhafter Verpflichtung füreinander führe dazu, dass immer häufiger schriftlich fixiert werde, wann, wie, wo und wie oft man Sex haben wolle.

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„Die traditionelle Beziehung bleibt zwar das vorherrschende Modell - aber längst nicht mehr in dieser Dominanz“, sagte Steinle. Eifersucht sei dabei nicht das Problem. Denn: „Ein wichtiger Faktor bei solchen Arrangements ist, dass sie auf Freiwilligkeit und Transparenz basieren.“

Sex nach Terminkalender sei eine Antwort für Paare, die unter Zeit-Stress, hoher Arbeitsbelastung und anderen Anforderungen wie Kindererziehung und Pflege litten. „Dies wird durch die Mobilität noch verstärkt.“ Auch Therapeuten rieten Paaren in der Krise, sich auf zeitliche Arrangements einzulassen, um die alte Intimität wiederzufinden.

In der Grauzone zwischen Freundschaft und Liebe entstünden ebenfalls neue Beziehungsformen wie beispielsweise freundschaftliche Vertrautheit mit gelegentlichem Sex. Oder noch unverbindlicher: das „Casual Date“ – unkomplizierter Gelegenheits-Sex ohne Verpflichtung.

Das Internet wirkt bei all diesen Entwicklungen wie ein Verstärker, sagte Steinle. Menschen mit ungewöhnlichen Neigungen und bestimmten sexuellen Vorlieben fänden leichter Partner, die ihre Vorlieben teilten. Zugleich erhielten kleine Bewegungen eine Öffentlichkeit, die sie wachsen lasse. Aber auch die traditionelle Partnersuche im Internet sei erfolgreich. „Ein Viertel findet seinen Partner über die Portale.“ Rund 7,8 Millionen Menschen in Deutschland seien auf den Online-Dating-Portalen unterwegs.