Die häufigste Ursache für Schmerzen ist ein Engpasssyndrom. Experten verraten, wann eine Operation sinnvoll ist

Tennis spielen, Decken streichen, Liegestütz stemmen und sich fest umarmen - unsere beweglichsten Gelenke machen es möglich: die Schultern. Was sie täglich leisten, merken wir häufig erst, wenn sie nicht mehr wie gewohnt reibungslos funktionieren.

Schmerzen und Blockaden lassen jeden Handgriff zur Qual werden und schränken die Betroffenen empfindlich ein. "Die häufigste Ursache ist ein Engpasssyndrom, das als Impingementsyndrom bezeichnet wird", erklärt Prof. Dr. Christian Jürgens, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Hamburg. "Zehn Prozent der deutschen Bevölkerung leiden daran." Ursache ist eine Schädigung des Gewebes durch Einengungen unterhalb des Schulterdachs.

Im Gegensatz zu anderen Gelenken hält den Gelenkkopf des Oberarmknochens eine verhältnismäßig kleine Gelenkpfanne. Die Stabilisierung des Gelenks übernehmen fein austarierte Muskeln, Bänder und Sehnen. Zu diesen sogenannten Rotatorenmanschetten gehören auch Sehnen, die zwischen Oberarmkopf und Schulterdach verlaufen. Beim Impingement wird der Bereich unterhalb des Schulterdachs (Subakromialraum) eingeengt und das Gewebe eingeklemmt.

Beim primären Impingement wirken mechanische Ursachen wie beispielsweise ein hakenförmig geformtes oder zu stark geneigtes Schulterdach. Beim sekundären Impingement können chronische Schleimbeutelentzündungen, Arthrose, Verkalkungen, ein muskuläres Ungleichgewicht sowie eine Schädigung der Rotatorenmanschette oder der langen Sehne des Bizepsmuskels Auslöser sein.

Für die Schmerzen ist besonders häufig die Supraspinatussehne verantwortlich. Sie verläuft als Teil der Rotatorenmanschette dicht unterhalb des Schulterdachs und ermöglicht das Abspreizen des Arms nach außen. Ist sie verletzt, kann der Patient den Arm häufig nicht höher als 60 Grad heben.

"Am Anfang der Diagnose stehen die Untersuchung der Bewegungsmuster und eine Analyse der Schmerzen", sagt Prof. Jürgens. Der Arzt untersucht den Schulterbereich auf Muskelverkürzungen und prüft die Beweglichkeit der Gelenke. Schmerzanfälligkeit und Bewegungsverhalten bei verschiedenen Übungen und Griffen zeigen, ob beispielsweise eine Schleimbeutelentzündung, eine gereizte Sehne oder ein Sehnenriss vorliegt - und somit möglicherweise ein Impingementsyndrom. Gegebenenfalls wird mittels einer neurologischen Untersuchung geklärt, ob ein Nerv eingeklemmt ist.

Bei Verdacht auf Impingement folgt eine Sonografie. Ist eine Einengung diagnostiziert, wird anhand differenzierter, kernspintomografischer Bilder über die weitere Behandlung entschieden. "Die Therapie wird auf den Patienten individuell zugeschnitten", erläutert Prof. Jürgens. "Sie ist abhängig von Dauer, Ursache und Ausmaß der Schmerzen sowie Alter beziehungsweise Anspruch des Patienten."

Die konservative Therapie beinhaltet Medikamentengabe und Physiotherapie. In vielen Fällen kann der Patient durch konsequente Krankengymnastik maßgeblich zu seiner Genesung beitragen. Durch die Kräftigung der schulterumgreifenden Muskeln wird die Position des Oberarmkopfes im Schultergelenk so verändert, dass unter dem Schulterdach wieder Platz für die Sehnen und andere Strukturen ist.

Eine Operation ist vornehmlich beim primären Impingement angezeigt. Die Mehrzahl der Betroffenen kann mittels einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie) minimalinvasiv behandelt werden. Mit dem Endoskop begutachtet der Arzt den Raum unter dem Schulterdach. Bei Bedarf kann er umgehend Gewebe abtragen, mit kleinen Fräsen Teile des Unterrands des Schulterdachs entfernen und den darunter liegenden Schleimbeutel entnehmen. Liegt eine Verletzung der Rotatorenmanschette vor, wie etwa ein Teilriss der Supraspinatussehne, wird diese mitversorgt.

Eine umfangreiche Operation wie diese führte Prof. Jürgens bei Günter Kantelberg, 61, nach einem Unfall durch. "Seit 40 Jahren bin ich mit der Motorsäge unterwegs", berichtet der passionierte Landwirt, "und dann das: Ein Stamm ist auf mich gestürzt, hat mir die Nase gebrochen, und meine Schulter tat höllisch weh. Nachdem mir zunächst nur Massagen verschrieben worden sind, hat Prof. Jürgens erkannt, dass in meiner rechten Rotatorenmanschette alles zerrissen war und die Muskeln abgescheuert waren." Ein typisches Einklemmungssyndrom.

Die abgerissenen Sehnen wurden mit einem kleinen Titananker wieder in den Knochen verankert, Teile des Schulterdachs weggefräst, der Schleimbeutel wurde entfernt. Jetzt muss Günter Kantelberg den Arm vier Wochen lang abwechselnd mittels einer kompakten Schiene ruhigstellen und behutsam mit der Physiotherapie beginnen. "Ich werde alles dafür tun, schnell wieder fit zu werden. Wir haben 3000 Schweine, 200 Hektar Ackerbau und 18 Hektar Wald. Da wird jede Schulter gebraucht."

In jedem Fall sollte, wer Schulterschmerzen hat, wegen der vielen möglichen Ursachen auf eine umfassende Diagnose bestehen, rät Rolf Keppeler, Therapiegesamtleiter am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg-Boberg. "Die Schmerzen können beispielsweise vom Gebiss herrühren - verursacht durch den vom Kiefer zur Schulter verlaufenden Muskel "M. omohyoideus". Oder aber durch eine Störung eines inneren Organs wie zum Beispiel der Gallenblase, die über das Nervensystem mit dem Schultergelenk in Verbindung steht. Liegt eine Störung der Signale vor, kann diese über den Nackenmuskel Schulterbeschwerden hervorrufen."

Unsere Schultern agieren in einem diffizilen Zusammenspiel mit anderen Muskeln, Gelenken, Nerven und Organen. "Deshalb ist für die konventionelle und postoperative Therapie ein ganzkörperlicher Ansatz sinnvoll", sagt Keppeler. Bei diesem können verschiedene Module kombiniert werden:

Physiotherapie: Krankengymnastik, manuelle Therapie und Wassertherapie

Physikalische Therapie: Massagen, Wärmepackungen, Lymphdrainagen, Infrarotlicht, verschiedene Stromformen

Ergotherapie: Übungen zur Förderung von Aktivitäten des täglichen Lebens

Arbeitstherapie: arbeitsplatzbezogenes Training