Thomas Frankenfeld stellt unsere Nachbarländer vor, analysiert ihr Verhältnis zu Deutschland und wie sie mit Flüchtlingen umgehen.

Das Logo des Funkstandards Bluetooth, der weltweit in Mobiltelefonen und Tabletcomputern zur Anwendung kommt, ist ein Monogramm aus den beiden altnordischen Runen für die Buchstaben H und B. Sie stehen für Harald Blauzahn – dänisch Harald Blåtand – der im 10. Jahrhundert König von Dänemark und Norwegen war.

Es war jener Harald, der die Christianisierung Skandinaviens begann und unter anderem das Bistum Schleswig gründete. Der Name Bluetooth stellt auf diese Weise eine direkte Verbindung zwischen der kämpferischen Wikingerzeit und der modernen Hochtechnologie dar. Im Ort Jelling mitten in Jütland stehen die beiden Jelling-Steine, die von Harald Blauzahn und seinem Vater Gorm um 935 und 958 errichtet wurden. Sie gelten als „Taufsteine“ Dänemarks, da ihre Runeninschriften zum ersten Mal den Namen Dänemark erwähnen.

Unesco-Weltkulturerbe: In Jelling bei Vejle stehen Runensteine, auf denen erstmals der Name Dänemark steht
Unesco-Weltkulturerbe: In Jelling bei Vejle stehen Runensteine, auf denen erstmals der Name Dänemark steht © dpa

Das heutige Dänemark, dessen Kernland etwas kleiner ist als Niedersachsen, ist Nachfahre eines machtvollen Reiches, das sich vom 13. bis zum 17. Jahrhundert mit anderen europäischen Großmächten messen konnte.

Würde man Grönland dazuzählen, mit fast 2,2 Millionen Quadratkilometern Fläche die größte Insel der Welt, die ein autonomer Bestandteil des Königreichs Dänemark ist, dann wäre Dänemark auch heute noch rund neunmal so groß wie Großbritannien.

Die alten Dänen sollen vom schwedischen Schonen aus die Halbinsel Jütland und die dänischen Inseln besiedelt und andere germanische Stämme verdrängt haben. Haralds Vater Gorm schuf das erste dänische Reich. Den Nachfolgern gelang die Eroberung weiter Teile der Britischen Inseln, Norwegens und der fränkischen Mark Schleswig. Im 13. Jahrhundert gehörte der Norden Estlands zu Dänemark. 1397 wurden Dänemark, Schweden, Norwegen, Island und Finnland in der Kalmarer Union vereint, und zwar unter dänischer Vorherrschaft. Dieser Verbund hielt fast eineinhalb Jahrhunderte.

Dänen und Deutsche stritten lange um den Süden von Jütland. Als Folge der bis heute im Norden unvergessenen Schlacht an den Düppeler Schanzen 1864, die die Preußen gegen die Dänen gewannen, fielen die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die Deutschen. Bis dahin war auch Altona, den Hamburgern „all to nah“, dänisch gewesen. Ein paar Jahre davor, 1852, hatte der dänische Schleswig-Minister Friedrich Ferdinand Tillisch dem Husumer Rechtsanwalt und Dichter Theodor Storm noch die Advokatur entziehen können, weil er eine unversöhnliche Haltung gegenüber den Dänen einnahm.

Die besondere Stellung der jeweils deutschen und dänischen Minderheiten

Die Preußen aber konnte Storm noch weniger leiden. Der dänische König Christian VIII. wollte partout die dänische Sprache im Herzogtum Schleswig durchsetzen, und Tillisch, der später noch dänischer Innenminister wurde, war dafür zuständig, deutschsprachige Beamte und Juristen von ihren Posten zu entfernen.

Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Dänemark neutral blieb, wurde nach einer Volksabstimmung 1920 Südschleswig an Dänemark zurückgegeben. Aus diesem historischen Umstand rührt die besondere Stellung der deutschen Minderheit in Süddänemark und der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Die deutsche Volksgruppe in Dänemark zählt bis zu 20.000 Menschen. Doch nicht dieser alte Konflikt ist es, der das Verhältnis zwischen Dänen und Deutschen lange stark belastet hat. Sondern die skrupellose Verletzung der dänischen Neutralität durch das NS-Regime; das Dänemark im April 1940 besetzte und bis 1945 behielt. Dem dänischen Widerstand gelang es 1943 mithilfe des deutschen Diplomaten Georg Ferdinand Duckwitz, 7000 der 8000 dänischen Juden vor dem Holocaust zu retten und mit Fischerbooten in Sicherheit zu bringen – ein im Zweiten Weltkrieg einzigartiger Vorgang.

Erst in jüngster Zeit hat sich das Bild der Dänen von Deutschland grundlegend gewandelt. Im April 2015 ergab eine Umfrage der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau, dass heute fast 70 Prozent der Dänen eine positive Meinung von Deutschland haben. Von den über 70-Jährigen, denen die Kriegszeit näher ist, sind es immerhin schon mehr als 40 Prozent, die gut über die Deutschen denken. Kanzlerin Angela Merkel gilt als Garant für politische Stabilität. Deutschlands Bild als arrogante Militärmacht sei endgültig Vergangenheit, sagte der dänische Historiker Karl Christian Lammers gegenüber der Agentur Ritzau. Die WM 2006 habe den Dänen gezeigt, „dass die Deutschen entspannen können“.

Die Dänen haben – dies auch in Abgrenzung zum mächtigen südlichen Nachbarn Deutschland – traditionell die Eigenwahrnehmung als „kleines Land“. Dies allerdings nicht abwertend, sondern eher im Sinne von „klein, aber fein“. 2007 wurde das Lied des dänischen Künstlers Steen Krarup Jensen mit dem Titel „Ein kleines Land und genau in der Mitte der Welt“ zum Lied des Jahres gewählt. Zur Einweihung der Brücke über den Großen Belt war bereits 1998 das Lied „Guten Morgen, kleines Land“ komponiert und zum Schlager geworden. Und in ihrer Neujahrsrede 2015 betonte die damalige Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt den Einfluss Dänemarks in der Welt, und dies, „obwohl wir ein kleines Land sind“. Zumindest militärisch ist Dänemark mit rund 18.000 aktiven Soldaten und 50 Kampfpanzern in der Tat kein Goliath, ist aber stets an internationalen Friedenseinsätzen, wie in Afghanistan (ISAF) oder auf dem Balkan (KFOR), beteiligt gewesen.

In der Europäischen Union, der Dänemark 1973 beitrat, ist das Land kein einfacher Partner. 1992 lehnten die Dänen sogar den Vertrag von Maastricht per Referendum ab, stimmten ihm aber ein Jahr später doch zu, nachdem die EU Dänemark Zugeständnisse in Form sogenannter Opt-Outs gemacht hatte. Dabei ging es unter anderem um Bedingungen bezüglich Sicherheits- und Verteidigungspolitik und um die Währungsunion, der Dänemark nicht beitrat.

Dänemark hat keine dramatische Landschaft zu bieten wie etwa Norwegen, aber ihre sanfte Lieblichkeit und ihre endlosen Strände ziehen jedes Jahr Millionen Deutsche an. 2013 gab es rund 15 Millionen Übernachtungen von Touristen in Dänemark, davon gingen allein 9,7 Millionen auf das Konto der Deutschen. 40.000 Ferienhäuser stehen zur Vermietung.

Doch die Dänen sind kein Landvolk mehr, gut 86 Prozent leben in Städten; größter Ballungsraum ist die Hauptstadt Kopenhagen, die in der eigentlichen Stadt eine halbe Million Menschen umfasst, in der Metropolregion aber fast 1,5 Millionen. Zweitgrößte Stadt ist der Seehafen Aarhus mit rund 230.000 Einwohnern. Der Anteil an Ausländern beträgt rund sieben Prozent; das ist leicht unter dem EU-Durchschnitt und deutlich unter dem Deutschen mit aktuell zehn Prozent.

Das Prinzenpaar, Kronprinz Frederik und Prinzessin Mary (l.), mit Königin Margrethe, dem Staatsoberhaupt
Das Prinzenpaar, Kronprinz Frederik und Prinzessin Mary (l.), mit Königin Margrethe, dem Staatsoberhaupt © dpa

Formell liegt die Exekutive in der konstitutionellen Monarchie Dänemark bei Königin Margrethe II. Faktisch übt jedoch das Kabinett unter Führung des „Staatsministers“ – derzeit ist es nach einer ersten Amtszeit 2009 bis 2011 wieder Lars Løkke Rasmussen – die politische Macht im Lande aus. Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Parlament, das im Gegensatz zum deutschen System aus Bundestag und Bundesrat nur eine Kammer hat. Rasmussen, der mit seinen Amtsvorgängern Poul Nyrup Rasmussen und Anders Fogh Rasmussen nicht verwandt ist, regiert seit Juni 2015 mit seiner rechtsliberalen Partei Venstre. Es ist eine Minderheitsregierung, die auf die Unterstützung von Konservativen, Liberalen und Rechtsliberalen angewiesen ist. In der Flüchtlingspolitik gehört Dänemark zu den restriktivsten Staaten Europas. In seiner ersten Amtszeit hatte Rasmussen im Mai 2011 Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden eingeführt, was als Verstoß gegen das Schengen-Abkommen gewertet wurde. Bezüglich der Familienzusammenführung von Flüchtlingen hatte Rasmussen 2010 ein Punktesystem nach Nutzwert für Dänemark eingeführt. Im Sommer 2015 kürzte die dänische Regierung die Leistungen für Asylbewerber. Insgesamt verzeichnete Dänemark im vergangenen Jahr rund 21.000 Asylbewerber, in Schweden mit seinen 9,5 Millionen Einwohnern waren es 160.000. „Bei uns muss Recht und Ordnung herrschen“, sagte Rasmussen in seiner Neujahrsansprache, „wir wollen nicht schon wieder Menschen auf unseren Autobahnen wandern sehen.“ Mitte Januar beriet das Kabinett einen Gesetzentwurf, der es erlauben soll, Flüchtlingen Wertsachen über einen Betrag von rund 1340 Euro hinaus abzunehmen, um ihren Aufenthalt zu finanzieren.

Der Imam von Aarhus will Kinderehen erlaubt haben – aus Respekt vor Kultur

Die Schwangerschaft eines 14 Jahre alten Flüchtlingsmädchens in einer Unterkunft in Aarhus, das vermutlich mit einem sehr viel älteren Mann zwangsverheiratet worden war, sorgte kürzlich für weiteren Zündstoff. Die Behörden trennten das Paar. Dänemark will künftig Ehemänner in derartigen Fällen sofort abschieben. Worauf sich der Imam von Aarhus, Osama El-Saadi, nicht entblödete, öffentlich die Legalisierung von Kinderehen in Dänemark zu fordern – aus Respekt vor der Kultur der Flüchtlinge.

Der Vorgang sticht sozusagen in ein politisches Wespennest. Im September 2005 hatte die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ zwölf Karikaturen zum Thema Mohammed gedruckt. In weiten Teilen der islamischen Welt sind Abbildungen von Allah oder Mohammed streng verboten. Es kam weltweit zu teilweise gewalttätigen Protesten und einer diplomatischen Krise zwischen Dänemark und den Regierungen islamischer Staaten. Anfang 2006 verschärften sich die Auseinandersetzungen erheblich, als zwei dänische Imame ein Dossier veröffentlichten, in dem neben den zwölf gedruckten Karikaturen auch üble, den Propheten beleidigende Zeichnungen enthalten waren, die gar nicht von „Jyllands-Posten“ stammten, sondern den Imamen angeblich zugeschickt worden waren. Die Gewalt explodierte, mehr als 100 Menschen starben bei weltweiten Protesten; dänische und norwegische Botschaften wurden angegriffen und teilweise zerstört.

Die Rechtspopulisten von der Volkspartei, der Dansk Folkeparti, sind sehr stark geworden und treiben die Liberalen in Sachen Flüchtlingspolitik vor sich her. Die Volkspartei will Dänemark abschotten. Bereits im September hatte die Regierung Rasmussen in libanesischen Zeitungen Anzeigen geschaltet. Die Botschaft: Es lohnt sich nicht, nach Dänemark zu kommen.