Marek Edelman, letzter noch lebender Kommandeur des Aufstands, schildert den jüdischen Widerstand.

Hamburg. Ein Held hat Marek Edelman nie sein wollen. Und im Mittelpunkt stehen ist seine Sache auch nicht. Edelmann strahlt die Nüchternheit und Distanz eines Menschen aus, der jene Zeit erlebt hat, in der das Sterben nicht die Wahl war, sondern nur die Art des Todes. Marek Edelman ist der letzte noch lebende Kommandeur des Aufstands im Warschauer Ghetto, der vor 65 Jahren begann. Gedenkfeiern allerdings bleibt der 89-Jährige konsequent fern - auch gestern, als der israelische Präsident Schimon Peres am zentralen Denkmal der Ghetto-Helden gedachte.

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Edelman war damals 24, einer der ältesten der Anführer des Aufstands. Damals, das war der 19. April 1943. "Die Deutschen waren ganz früh an diesem Tag gekommen", sagt Edelman dem Radiosender NDR-Info. "Sie hatten offenbar vor, das Ghetto bis zum Geburtstag Hitlers einen Tag später, am 20. April, zu liquidieren. Sie glaubten offenbar, dass sie es im Laufe dieses einen Tages schaffen würden. Aber wie sich dann gezeigt hat, war das nicht möglich." Im Ghetto lebten nur noch rund 60 000 der fast 500 000 Juden, die die deutschen Besatzer dort seit November 1940 auf engstem Raum zusammengepfercht hatten. Hunderte Menschen starben pro Tag an Hunger, Kälte und Krankheiten. Und als die Deutschen in den frühen Morgenstunden jenes 19. April vor dem abgesperrten jüdischen Stadtbezirk Warschaus aufmarschierten, waren bereits mehr als 300 000 Männer, Frauen und Kinder in den Gaskammern der Vernichtungslager gestorben, vor allem in Treblinka. Widerstand der jüdischen Bevölkerung gab es kaum.

Bis auf jene Nacht. Mit wenigen eingeschmuggelten Gewehren und selbst gebauten Handgranaten waren 750 Kämpfer hinter ihren Barrikaden im Ghetto in Stellung gegangen und leisteten erbitterten Widerstand. "Es war eine Überraschung für die Deutschen", sagt Edelman auf NDR-Info. "Die Soldaten hatten Angst, dass sie von uns getroffen, erschossen werden. Also flüchteten sie. Sie versteckten sich irgendwo in den Toren an der Straßenseite. Auf der Straße selbst aber war niemand mehr. Die Straße gehörte uns. Und das war eine große Genugtuung."

Sie währte nicht lange. Die Aufständischen waren den 2054 gut ausgerüsteten deutschen Soldaten hoffnungslos unterlegen. Edelman: "Es war von vornherein ein verlorener Kampf."

Dennoch wurden die deutschen Besatzer tagelang nicht Herr der Lage. Nachdem sie sich von diesem Schock erholt hatten, fingen sie an, Haus für Haus niederzubrennen, um die Kämpfer aus ihren Verstecken zu treiben. Deren Kampfeswille allerdings war ungebrochen. "Es war leichter, mit einer Waffe in der Hand zu sterben, als das Los der Deportierten zu tragen", so Edelman. Erst nach knapp vier Wochen war der Aufstand im Ghetto endgültig niedergeschlagen. Der Anführer Mordechai Anieliewicz und einige Gefährten hatten bereits Selbstmord begangen. Edelman übernahm das Kommando. Einige Tage nur, dann gelangen ihm und 40 Kampfgenossen die Flucht über die Kanalisation.

Am 16. Mai meldete SS-Brigadeführer Jürgen Stroop den erfolgreichen Abschluss der Liquidierung des Ghettos: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr." Die Besatzer machten das Ghetto dem Erdboden gleich. Die Synagoge von Warschau wurde gesprengt - als Symbol.

16 deutsche Soldaten und Polizisten wurden während des Aufstands getötet. Rund 7000 Juden starben, die meisten verbrannten bei lebendigem Leib. Die verbliebenen 50 000 Menschen wurden nach Treblinka deportiert und ermordet.

Marek Edelman, ein bekannter Herzspezialist, lebt heute in Lodz.