Morgen reist Bundeskanzlerin Angela Merkel (52) zum zweiten Mal in ihrer Amtszeit nach Polen. Dort trifft sie den Ministerpräsidenten und den Präsidenten, die Zwillingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski (57). Zwar drängen europapolitische Fragen, im Mittelpunkt der zweitägigen Reise soll aber das persönliche Kennenlernen stehen: Auf der Ostsee-Halbinsel Hela ist Zeit für Spaziergänge mit dem Präsidenten - Gelegenheit, um die Spannungen im Verhältnis der beiden Nachbarstaaten zu lockern. Denn Konfliktpunkte gibt es viele.

Der Umgang mit der gemeinsamen Geschichte ist ein Dauerstreitthema. Einige Deutsche machen über die private Organisation "Preußische Treuhand" Entschädigungsansprüche für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg geltend. Die Bundesregierung hat dies ebenso kritisiert wie die Äußerung der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, die die polnischen Regierungsparteien mit der deutschen rechtsextremen NPD verglichen hat. Zudem sorgen Forderungen deutscher Vertriebenenfunktionäre nach einem "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin für Zündstoff.

Gegenüber der Ostsee-Pipeline zwischen Deutschland und Russland hat Polen ebenfalls Vorbehalte. Ein Minister des Landes verglich das Projekt sogar mit dem Hitler-Stalin-Pakt, in dem Deutschland und Russland vor dem Zweiten Weltkrieg die Teilung Polens vereinbart hatten. Merkel hat Warschau angeboten, Partner bei der Gas-Pipeline zu werden.

Polen gehört zu Merkels schärfsten Widersachern bei ihrem Ziel, als Ratspräsidentin der Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2009 doch noch eine EU-Verfassung auf Grundlage des bisherigen Entwurfs auf den Weg zu bringen. Die Führung in Warschau fürchtet um ihren Einfluss in der Gemeinschaft.

Streit gibt es auch über Polens Rolle beim Aufbau eines US-Raketenschutzschilds in Osteuropa. In Polen sollen bis zu zehn Raketen stationiert werden, die polnische Regierung hat in dieser Frage nicht die Nato-Partner konsultiert. Merkel kritisierte dies und warb für eine Lösung innerhalb der Nato und offene Gespräche mit Russland darüber.